REUTLINGEN. Das Familienkonzert des »Musikalisch-literarischen Salons Reutlingen« ist nach Stationen in der Stadthalle und im Theater Die Tonne mittlerweile im franz.K zu Gast. Ein guter Ort, der sich 2023 bereits bewährt hat. Bevor es losging, sah man bei der diesjährigen Ausgabe am 1. Advent die Kinder teilweise noch herumrennen und an Geländerstangen turnen. Letzte Sitzerhöhungen wurden gereicht, und im Nu war es fast mucksmäuschenstill im ausverkauften Saal. »Eisblumen für Dich«, eine Geschichte von Ute Kleeberg, schien die überwiegend junge Zuhörerschaft unmittelbar zu berühren. Jeder konnte nachvollziehen, wie es dem jungen Paul ergeht, der mit seinen Eltern in eine andere Stadt umgezogen ist. Der sich fürchtet und nicht einschlafen kann, weil er Gespenster unter seinem Bett vermutet. Der meint, besonders leise sein zu müssen, damit diese vergessen, dass er da ist. Heimweh - »es macht das Herz verrückt und boxt im Bauch« - plagt ihn. Er schläft weinend ein.
Doch der Schauspieler Stephan Baumecker, der die Geschichte warmherzig und ohne große Theatralik vorträgt, schildert auch, wie Pauls Leben durch einen Schneemann, den er mit großer Kraftanstrengung alleine baut, verzaubert wird. Ihm kann er seinen Kummer anvertrauen, auch von Freunden und seinem Großvater erzählen, die er vermisst. Er ist ein guter Zuhörer und macht ihm Mut. Schön, dass er zudem Pauls Stofftiger sympathisch findet. Und dass die Taschenlampe, mit der Paul den Schneemann zum Blinzeln bringt, auch für Klarheit unter Pauls Bett sorgt.
Tauwetter und Abschied
Über den Schneemann kommt Paul mit einem Mädchen in der Nachbarschaft und schließlich mit anderen Kindern in Kontakt. Als es Tauwetter gibt, tut sich Paul schwer damit, Abschied vom Schneemann zu nehmen. Doch dieser bittet ihn: »Lass mich gehen.« Und hat mit Eisblumen, die er ihm von da an immer wieder schickt, auch ein Mittel parat, mit Paul in Kontakt zu bleiben.
In dem vom Kulturamt der Stadt Reutlingen veranstalteten »Salon« (Idee und Realisation: Ute Kleeberg und Uwe Stoffel von der Edition See-Igel) spielt neben der poetischen Geschichte auch die Musik eine große Rolle. Kaum hatte Stephan Baumecker zu Beginn der Matinee den Titel »Eisblumen für Dich« vorgelesen, meinte man in den Klängen, die Jens Niemeyer auf dem Klavier und Frank Bunselmeyer auf der Klarinette spielten, auch schon Eiskristalle knacken zu hören. Takte aus »Ein Abend auf dem Lande« von Béla Bartók waren das. »Lieder ohne Worte« von Felix Mendelssohn Bartholdy schienen den in der Geschichte anklingenden Empfindungen unmittelbar Ausdruck und Tiefe zu geben. Das galt auch für Darius Milhauds »Caprice« und Modest Mussorgskis »Une Larme« (»Eine Träne«). Die fein ausgesuchte, einfühlsam und fröhlich gespielte Musik umfasste auch Stücke von Wolfgang Amadeus Mozart, Max Reger und Alexander Scriabin. Das war für die Kinder so faszinierend, dass viele von ihnen im Anschluss das Angebot nutzten, sich mit den Instrumenten vertraut zu machen. Auch ließen sie von Stephan Baumecker und den Musikern Plakate signieren. (GEA)