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Goethe mit Haftpflicht: »Der Zauberlehrling« am Stuttgarter Kammertheater

Goethes berühmte Ballade vom Zauberlehrling als Stoff eines jugendaffinen Musicals über die Generation Z? Genau das ist derzeit im Stuttgarter Kammertheater zu bewundern. Fragt sich bloß, ob dieser Plan aufging.

Da wird doch wohl nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet? Die vier Darsteller im Musical »Der Zauberlehrling«.
Da wird doch wohl nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet? Die vier Darsteller im Musical »Der Zauberlehrling«. Foto: Björn Klein
Da wird doch wohl nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet? Die vier Darsteller im Musical »Der Zauberlehrling«.
Foto: Björn Klein

STUTTGART. »Wir brauchen die Alten nicht! Wir haben das Utopische in uns!« Solch stürmische Worte erklingen in der Uraufführung im Stuttgarter Kammertheater. Würde man Goethes Ballade vom »Zauberlehrling« nicht kennen oder das pessimistische Sprichwort von den »Geistern, die ich rief«, man könnte das neue Musical des Regieduos Marthe Meinhold und Marius Schötz für ein Stück über die alles besiegende Kraft der Jugend halten. Aber die derzeitige Jugend heißt Generation Z und kümmert sich am liebsten um die eigene Work-Life-Balance, vielleicht kommt das zweistündige Werklein deshalb keinen Moment auf Touren.

Um ein ethisches Dilemma von einer Dimension zu verhandeln, wie Goethe sie aufwirft, bräuchte es vielleicht doch mehr als diese dürftigen Dialoge, die statt Ironie oder irgendeiner Art von Schärfe lieber den pseudo-empathischen Tonfall des Trash-Fernsehens anschlagen, wenn die Mitwirkenden immer wieder berichten, wie sie sich gerade dabei fühlen.

Das Schaumbad läuft über

Mit ein paar wenigen Songs garniert, treten hier vier muntere Lehrlinge mit großen Ideen beim abgewrackten Zauber-Veteranen Dieter-Thomas Schleck an. Am Ende ist, exakt wie bei Goethe, durch den selbstbewussten Dilettantismus der Lehrlinge das ganze Haus überflutet. Der beste Gag des Abends ist noch die Frage der unbekümmerten Youngsters nach der Haftpflichtversicherung: Sicher haben die Alten doch vorgesorgt?

Zunächst bringen die vier (Noah Ahmad Baraa Meskina, Noëlle Haeseling, Felix Jordan und Pianistin Eun Chong Park) den verstockten Entertainer auf den neuesten Stand der Selbstdarstellung im Internet. Dann wird tatsächlich im Chor Goethes Ballade gesungen, in der ein Besen zum unseligen Wasserträger mutiert, und mit einem überlaufenden Schaumbad illustriert. Die Jugend badet im Komfort, so mag man wohl das Bild deuten.

Besen mit Blondhaar

Die wortreiche Selbsterkenntnis der Lehrlinge nach der Katastrophe aber bleibt einfach ein weiterer, lustiger Teil ihrer Eitelkeit, eine Katharsis findet nicht statt. Wenn Herr Schleck als lebensgroßer Besen samt wallendem Blondhaar wiederkehrt und sein Darsteller Klaus Rodewald mit brüchiger Stimme heldentenorale Melodien stemmt, dann ist das weder eine Parodie noch ein Spiel mit dem Genre Musical, wie es einst Harald Schmidt mit seinem »Prinz von Dänemark« im Schauspielhaus so herrlich demonstriert hatte.

Dieses »Musical« benutzt einfach ein weiteres Mal das Klischee vom seichten Unterhaltungsgenre, das in den USA mit anspruchsvollen, auch sprachlich herausragenden Stücken oft genug widerlegt wurde. Wenn so viel Oberfläche der Kulturbegriff der »Lehrlinge« ist, dann kann einem Angst und Bange werden ums deutsche Theater. (GEA)