REUTLINGEN. Violettes Licht erfüllt den Altarraum der Reutlinger St.-Wolfgangskirche, ein großer beleuchteter Engel schwebt rechts über dem Altar, wie um die Geburt Jesu zu verkündigen. Unterstützt wird er von unzähligen kleineren Engeln, die sich über den Köpfen der in den Kirchenbänken versammelten Menschen befinden.
Dieser optische Rahmen harmonierte am frühen Sonntagabend, dem vierten Adventssonntag, trefflich mit dem Akustischen. Doch hier kamen die Klänge nicht von vorne, sondern von hinten. Die Empore war erfüllt von der Chorgemeinschaft St. Wolfgang, von Streichern der Württembergischen Philharmonie Reutlingen, von einer Harfe, Gesangssolisten, einem Organisten und dem Leiter des Konzerts, Andreas Dorfner.
Andachtsvolle Atmosphäre
Diese Fülle an versammelten Musizierenden ließ eine hingebungsvolle und andachtsvolle Atmosphäre entstehen, die der Konzertreihe Concertino einen harmonischen Abschluss bescherte. Das Herzstück bildete Camille Saint-Saëns’ Weihnachtsoratorium.
Wer solch eine prachtvolle Intensität erwartet wie bei Bachs Weihnachtsoratorium, liegt falsch. Denn Saint-Saëns’ Werk besticht mit weitaus anderen Qualitäten. Der im Programmheft erwähnte »lyrische Grundton«, das »romantisch warme Klangbild« sind Erlesenheiten, die man in einer besinnlich zu wünschenden Adventszeit nur zu gerne annimmt.
Die hauptsächlich friedvolle Stimmung ergoss sich über die Gesichter der zahlreichen Zuhörer. Tobias Auer an der Orgel ließ sein Instrument in mannigfachen Klangfarben ertönen, immer hellhörig angepasst an die anderen Ausführenden. Die Streicher gliederten sich getreulich ein, ausgewogen, flexibel und gleichzeitig gemütvoll.
Eine Besonderheit ist natürlich auch die – hier von Rosetta Schade gespielte – Harfe, die in manchen Passagen zum Einsatz kam und die nach innen gewandte Beschaulichkeit unterstrich. Auf diesem Gerüst konnten sich die Sänger allesamt verwirklichen. Choreinsätze, mal zart, mal strahlend, fürwahr wandelbar, wechselten mit den Einsätzen der Solisten ab: Ulrike Härter mit ihrer gleißend-schimmernden Sopranstimme, Carlotta Lipski (Mezzosopran) wunderbar im Einklang mit dem zu singenden Text, Pauline Stöhr mit ihrem runden und blühenden Alt, Roger Gehrig (Tenor) edel und klar und Florian Hartmann (Bariton) insbesondere in Kombination mit anderen Solisten überaus eindringlich. Auch wenn – oder gerade weil – die Solisten alle sehr unterschiedliche Stimmen mitbrachten, gelang eine intensive Interpretation.
Träumerisches von der Harfe
Eingeleitet wurde das Konzert von Dietrich Buxtehudes Magnificat, das eine erste weihnachtliche Einstimmung zuließ und unter anderem die Fähigkeiten des Chors unterstrich.
Dankbar konnte man auch für Marcel Grandjanys »Rhapsodie pour la Harpe« sein, wo Rosetta Schade träumerische, ätherische und märchenhafte Klänge erzeugte, manchmal abhebend wie die hängenden Engel in der Kirche, abgelöst von glitzernden Wellen, geheimnisvoll, aber auch forsch. Musik wie für Jesus in der Krippe gemacht. (GEA)