STUTTGART. Zwei hohe Türme, auf denen Schlagzeugsets, gebaut aus Bierfässern, stehen, mehrere Stufen, LED-Leinwände und überall diese Masken. Die Bühne der Stuttgarter Schleyerhalle sieht am Samstagabend irgendwie eher so aus, als würde hier gleich ein Musical stattfinden und nicht das Konzert einer der weltbekanntesten Metal-Bands.
Jetzt gibt es wahrscheinlich viele Metal-Heads, die sich schon an den ersten Zeilen dieses Textes stören, weil wenige Bands so kontrovers diskutiert werden wie Slipknot, die hier heute Abend spielen. Slipknot wären kein Metal, sagen viele, zu viel Drumherum mit den ganzen Masken, den gesungenen, nicht geschrienen Refrains, und zu erfolgreich sind sie eigentlich auch.
Die amerikanische Band aus dem Redneck-Staat Iowa macht zusammen seit 1992 Musik, von Anfang an verstecken sich die Bandmitglieder hinter Masken. Diese Masken tragen viel zum Kult um Slipknot bei, etliche Menschen im Publikum der Schleyerhalle tragen sie. Laut Sänger Corey Taylor sollen die Masken zeigen, wie sich die Bandmitglieder innerlich fühlen. In den Jungs um Taylor scheint es drinnen nicht ganz so toll auszuschauen, denn die Masken sehen fürchterlich aus und bringen seit Jahrzehnten besorgte Mütter, deren Kinder Corey Taylor anbeten, auf die Palme.
Wie einer, der angebetet wird, tritt Taylor auch auf die Bühne. Schwarzer Mantel, schwarze Handschuhe und Blut am Hemd. Er schreitet fast, die Maske nimmt ihm jeden Ausdruck. In der ersten Reihe weinen Menschen, als er die ersten Zeilen des Songs »Insert Coin« singt. Zu neunt stehen sie auf der Bühne: zwei Gitarren, ein Bassist, DJ, Schlagzeuger, ein Sampler und die zwei Trommler hoch oben auf ihren Bierfässer-Schlagzeugen.
Slipknot sind nicht grade die fleißigsten Produzenten, in fünfundzwanzig Jahren Bandgeschichte kam 2019 ihr erst sechstes Studioalbum heraus: »We Are Not Your Kind«, zu deutsch: »Wir sind nicht so wie ihr.«
Slipknot ist eine Band, mit der man sich identifiziert. Wer ihre Shirts trägt, versteht das als ein Statement: »Die Welt ist scheiße, und ihr anderen seid schuld.« Das Album kletterte in Amerika auf Platz eins der Charts und feierte auf der ganzen Welt großen Erfolg. Die Youtube-Videos der Band wurden mehr als eine Milliarde Mal angeklickt. Slipknot sind ein Türöffner in die Szene, ein Crossover-Produkt aus Hardrock, Alternative und Metal. Ob jetzt richtig Metal oder nicht – Genres sind heute eh egal geworden. Ein Slipknot-Konzert fühlt sich an wie ein Musical, weil alles dazu gehört und in sich Sinn macht: der Hass in den Texten, die Melodie und die Performance. Die Leute haben Tränen in den Augen, weil sie Corey Taylor wenigstens einmal ein bisschen nahe gekommen sind. Verrückt, wie glücklich man Menschen mit so viel Hass machen kann. (GEA)