MÜNSTER. Mit dem Debütalbum »Time To Move« wurde die Münsteraner Band H-Blockx 1994 zum Vorreiter des Crossover. Songs wie »Risin’ High« oder »Move« wurden zu Hits. Dieses Jahr feiert die Platte ihr 30-jähriges Jubiläum. Sänger Henning Wehland ist von Anfang an dabei. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 52-Jährige über das Revival des Debütwerks, die Band und dunkle Zeiten.GEA: Herr Wehland, wie kam es zu der Idee mit dem Revival?
Henning Wehland: Im Jahr 2019 organisierte ein Freund ein Festival in Münster und sprach uns an, ob wir zum 25-jährigen Jubiläum von »Time To Move« dort spielen wollen. Also waren wir Headliner, es kamen 10.000 Leute auf den Domplatz, und es war ein totaler Flash für uns alle. Wir merkten, dass uns die gemeinsame Zeit und das Musikmachen auf der Bühne viel bedeutet. Und dann sagten wir uns: »Lass uns das doch noch mal zum 30-jährigen Bühnenjubiläum 2020 versuchen.«
Und dann?
Wehland: Wir wurden im In- und Ausland oft gebucht, aber dann musste alles wegen Covid verschoben werden. 2021 haben wir zwei Konzerte nachgeholt und 2022 waren es bereits 15 Shows. 2023 ging es weiter. Es waren keine großen Hallen, aber wir hatten einfach immer noch unfassbar viel Spaß zusammen, egal ob im Proberaum oder auf der Bühne. Schließlich haben wir darüber nachgedacht, ob wir nicht einfach noch mal eine Tour spielen sollten. Wir wollten kein neues Album veröffentlichen, sondern nur zwei neue Songs herausbringen und im Herbst diese Tour spielen. Wir freuen uns tierisch darauf.
Von 2012 bis 2019 gab es die große Pause. War das schwer für Sie?
Wehland: Der erste große Einschnitt war, als unser Trommler Mason (Johann-Christoph Maass, d. Red.) 1996 ausgestiegen ist. Als dann auch noch Gudze (Stephan Hinz, d. Red.), unser Bassist, der für viele Songs verantwortlich war, die Band verlassen hat, dachten alle: Das wird nichts mehr! Tinte (Tim Humpe, d. Red.) und ich hatten damals schon ein Büro gegründet und kümmerten uns um den ganzen Business-Kram. Die Chemie innerhalb der Band stimmte nicht mehr. Wir haben auch kein Album hinbekommen, weil wir mit anderen Dingen zu beschäftigt waren.
Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Wehland: Ich habe mein Soloalbum »Der Letzte an der Bar« veröffentlicht, war bei den Söhnen Mannheims dabei, habe zehn Jahre das Management für Pohlmann gemacht und zwei Jahre The Boss Hoss betreut. Außerdem habe ich viel Fernsehen gemacht, hier und da moderiert und war Coach bei »The Voice Kids«. 2014 habe ich mich aus allem zurückgezogen und mich nur noch um meine Solokarriere gekümmert. Es kam jedoch auch eine schwierige und dunkle Phase, in der ich die Öffentlichkeit ausblenden musste. Es hat lange gedauert, bis ich das verstanden habe.
Hatten Sie Depressionen?
Wehland: Ja, ich habe bereits einige Therapien gemacht und befinde mich derzeit auch in Behandlung. Es gibt zwar keinen akuten Anlass, aber ich lerne bei jeder Sitzung dazu. Vor einigen Jahren war ich auch für mehrere Wochen stationär in Behandlung. Zudem habe ich leider auch viele negative Erfahrungen mit Therapeuten gemacht. Vor zwei Jahren jedoch habe ich eine Therapeutin gefunden, die mir geholfen hat, einen besseren Zugang zu mir selbst zu finden.
Wie wurden Sie depressiv?
Wehland: Ich habe unfassbar viel Alkohol getrunken; das war sicher nicht zielführend. Seit zwei Jahren trinke ich keinen Tropfen mehr. Alkohol hat mir sehr viel Trauer und Depressionen eingebracht. Aber ich verteufle diese Zeit nicht. Wenn bestimmte Wege enden, muss ich umkehren.
Ist es da nicht gefährlich, sich den Stress mit einer Tour wieder anzutun?
Wehland: Nein, denn wir machen kein Business daraus. Wenn wir Geld mit den H-Blockx verdienen, dann ist das Geld, mit dem ich nicht gerechnet habe. Wir treffen uns, und anstatt ein Bier trinken zu gehen, gehen wir eben ins Studio. Im vergangenen Jahr gab es einen Moment, da saßen wir 24 Stunden in einem Raum und haben nichts hinbekommen. Aber wir sind nach Hause gefahren und waren irgendwie glücklich. Vor zwei Jahren konnte ich zu einem Freund auf einen Bauernhof in der Nähe von Münster ziehen und hatte sehr wenig Stress. Ich handle jetzt sehr bewusst, was Termine angeht.
Das, was Fanta 4 für den Hip-Hop sind, sind die H-Blockx für Crossover. Macht Sie das stolz?
Wehland: Es erfüllt mich schon mit Stolz, dass wir ein Phänomen geprägt haben, das später als Crossover bezeichnet wurde. Wir betrachteten uns damals als Rockband und wollten uns nicht in eine Schublade pressen lassen, gerade weil wir Einflüsse aus Hip-Hop, Rap, aber auch Metal und Popmusik hatten.
Damals gab es den Begriff Crossover nicht.
Wehland: Stimmt. Obwohl es viele bedeutende Bands vor uns gab, wie Urban Dance Squad oder die Freaky Fukin Weirdoz, waren die Red Hot Chili Peppers und Faith No More sehr wichtig. Wir waren nicht die Vorreiter, haben aber definitiv unseren Beitrag geleistet. Wir haben Crossover massentauglich gemacht, sind aber gleichzeitig sperrig geblieben.
Sie haben mal gesagt »Wir haben viele Fehler gemacht« …
Wehland:Wir haben viele falsche Entscheidungen ge-troffen, oft standen uns unsere Emotionen im Weg. Obwohl wir eine enge soziale Verbundenheit zueinander hatten, waren wir damals schon sehr unterschiedliche Charaktere. Nach dem großen Erfolg von »Time To Move« fragte ich mich, was ich als Nächstes tun sollte, was den Leuten gefallen würde. Ich habe nicht wie ein Künstler gedacht und hätte Entscheidungen treffen müssen, die weniger kommerziell orientiert waren. Doch wer weiß, ob wir dann dort angelangt wären, wo wir heute sind. Ich lebe seit 30 Jahren davon und bereue nichts. (GEA)
H-Blockx: 29. Oktober 20 Uhr LKA-Longhorn Stuttgart