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Aktuell Geistliche Musik

Geschliffene Klangpreziosen

Capella Vocalis in der Amanduskirche

Die Capella Vocalis gestaltete die Stunde der Kirchenmusik in Bad Urach.
Die Capella Vocalis gestaltete die Stunde der Kirchenmusik in Bad Urach. FOTO: STRÖHLE
Die Capella Vocalis gestaltete die Stunde der Kirchenmusik in Bad Urach. FOTO: STRÖHLE

BAD URACH. Mit einem reinen A-cappella-Programm hat der Konzertchor der Capella Vocalis am Samstagabend die Stunde der Kirchenmusik in der Amanduskirche Bad Urach gestaltet. Der Reutlinger Knabenchor unterstrich darin einmal mehr sein hohes Klangideal und den Anspruch, sich auch inhaltlich mit den Motettentexten zu befassen, die Klanggestalt maßgeblich von deren Aussage her zu entwickeln. Feine Nuancierungen, große Innigkeit, meditativ gestaltete Passagen, aber auch ein Anschwellen zu klanglicher Größe waren hier wohldurchdacht und von Noch-Leiter Christian J. Bonath, dem die jungen Sänger mehr als pflichtschuldig ihre Aufmerksamkeit schenkten, durch klare Gesten kommuniziert.

Wie berichtet übernimmt Bonath im September die Leitung der Dresdner Kapellknaben, was nach zehn Jahren seinen Abschied von Reutlingen bedeutet. Doch nicht so sehr Verunsicherung, wie es weitergeht, sondern Dankbarkeit ihm gegenüber schwingt vonseiten der Eltern wie der Jungs in dieser Zeit des Übergangs in Auftritten wie diesem mit. Halt geben mag der Hymnus »Alta trinita beata«, den singend die Chorknaben in die Kirche ein- und wieder auszogen – eine Tradition, die Chorgründer Eckhard Weyand vor Jahrzehnten begründet hat und die pandemiebedingt zwei Jahre ruhte.

Romantische geistliche Chorliteratur bildete beim Auftritt in Bad Urach den Schwerpunkt. Klanglich gleichsam wie Monolithen stellten die jungen Sänger die Glieder der Dreifaltigkeit in Felix Mendelssohn Bartholdys Motette »Jauchzet dem Herrn« hin. Wobei das Werk zu acht Stimmen auch belebte, die Freundlichkeit Gottes und seinen Ewigkeitsanspruch betonende Momente, die fein ausgestaltet waren, bot. John Taveners »The Lamb« geriet ergreifend zart und wie eine Mahnung gegen Aggression und Krieg, das »Mother of God, here I stand« vom selben Komponisten schien herrlich beseelt vom Erleben der Heiligkeit.

Existenzielle Fragen

Als Ausflug in die Barockmusik war »Also hat Gott die Welt geliebt« von Heinrich Schütz in überwiegend homofonem fünfstimmigem Satz eine geschliffene Klangpreziose. Das einleitende, von einer Pause gefolgte Wort »Also« war mit ergreifendem Atem ausgestattet, das Neuansetzen danach wunderbar inspiriert.

Von Anton Bruckner führte der Chor neben einem weihevoll gesungenen »Locus iste« sein getragen-inniges »Vexilla regis« auf. Streckenweise mutete jeder Ton, jede harmonische Wendung wie eine Offenbarung an. Anmut, Ernst und Ergriffenheit gingen von den Chorsätzen »Northern Lights« und »Ubi caritas« des 1978 geborenen norwegischen Komponisten Ola Gjeilo aus. »Ubi caritas« war deutlich beeinflusst von der Gregorianik.

Camille Saint-Saëns’ »Ave verum« bot neben melodischer Liedhaftigkeit und klanglicher Wärme auch einen Moment der Dramatik, als von Jesu Leiden am Kreuz die Rede war. »Warum ist Licht gegeben« von Johannes Brahms zeigte den Typus der Bachschen Mehrsatzmotette mit Schlusschoral. Existenzielle Fragen wurden hier mit dem wiederkehrenden Wort »Warum?« eindrucksvoll behandelt, die Langmut Hiobs, Verheißung und Trost beschworen. In Brahms’ Motette »Schaffe in mir, Gott, ein rein Herz« brachen sich schließlich hörbar Freude und Zuversicht Bahn. (GEA )