STUTTGART. Der bayrische Kabarettist Gerhard Polt ist ein Urgestein der Kleinkunst. Auch mit 82 Jahren ist er noch auf der Bühne und begeisterte im ausverkauften Theaterhaus im perfekten Zusammenspiel mit den Well-Brüdern in seinem neuen Programm »Apropos«.
Seit mehr als vierzig Jahren treten die Volksmusiker Christoph und Michael Well mit Polt auf (Karl Well seit 2013), doch Abnutzungserscheinungen sind bei den ergrauten Herren nicht zu erkennen. Allerdings nehmen die Themen Zeit, Alter, Tod mittlerweile doch einen Teil der Beiträge in Beschlag. Auch aktuelle Themen wie Wokeness, Klimawandel, der Ukrainekrieg und die politische Situation in Deutschland werden angeschnitten. Das Ganze ist herrlich bissig und hintersinnig, die Pointen oft fein versteckt, oft nur in einem Nebensatz – passend zum Titel der Tournee »Apropos«.
Ärger eines Autofahrers
Polt holt sich als Opa, Autofahrer oder einfacher Nachbar von nebenan mehrfach Erlaubnis bei seinen Bühnenkollegen: »Derf I des sogn?« und erklärt dem Publikum: »Weil sonst kriag I wieder an Shitstorm – aber der geht mir am Arsch vorbei – I sogs wies is«. Er beklagt zahlreiche Absurditäten wie die immer breiter werdenden Autos und die damit verbunden Probleme einer zu klein gewordenen Garage. Oder die negative Entwicklung des Bildungsniveaus der jüngeren Generation (»die wern allweil dümmer«).
Nach jeder Anekdote zeigen die Well-Brüder ihre musikalisch-humoristische Vielseitigkeit. So kommt zu Beginn die »Große Feuerwehrmusik« vom Hausener Heimatdorf der Wells zu Gehör, angeblich von Georg Friedrich Händel hier komponiert. Dies ergab sich, da ihm die Postkutsche auf der Fahrt von Wien nach Berlin »im zu engen Dorf-Kreisverkehr verreckt« sei.
Es folgen weitere Darbietungen, mal mit, mal ohne Gesang – Bauernregeln, Alpinismo Tropical, Seniorenheim etc. – zweimal auch unter Mitwirkung von Polt und dem Einsatz zahlreicher Instrumente: Klarinette, Steirisches Akkordeon, Gitarre, Saxofon, Kontrabass, Flöte, Alphorn, Brummtopf, Harfe, Geige, Dudelsack, Tuba, Jagdhorn, Zither, Drehleier und Bachtrompete.
Dazwischen grantelt und grübelt Gerhard Polt in bekannter Manier als Menschenkenner scharfzüngig und tiefschürfend. Etwa über skurrile Sammlerobjekte wie den »Knochen der Lieblingsschweinshaxe von Franz-Josef Strauß« oder ein Stück Rinde vom Baum, welchen Markus Söder umarmte. Er ärgert sich über reingeschmeckte »Preißn und Rotarier am Tegernsee«, die Habgier der Menschen allgemein (»Ich will einen Induktiv-Ofen, ich mache auch Spiegelei – alle wollen immer nur, aber sterben, das wollen sie nicht!«). Er sinniert über die Zeit an sich und er macht sich Gedanken über die Psychologie: »Muss man des studieren, nur damit man weiß, wer a Depp is? Da langt doch Menschenkenntnis.«
Das Publikum bringt die vier weiß-blauen Routiniers mit frenetischem Applaus (»Danke für das schöne Geräusch«) nach über zwei Stunden zu einer Zugabe nochmals auf die Bühne und erfährt, dass »die Gemütlichkeit« aus den drei Faktoren »Zeit, Geld und Bier« besteht – in Abwesenheit von Gedanken. (GEA)