REUTLINGEN. Reinhard Brunner gehört zu den Konstanten in der Kunstszene der Region. Immer wieder hat er hier ausgestellt, in Reutlingen, in Tübingen. Und dabei eine wiedererkennbare Bildsprache gefunden. Das wohlgeordnete Rechteck oder Quadrat der Bildfläche schien sich bei ihm aufzulösen, der Blick fiel in nebelhaftes Gewölk. So als würde man eine verschwommene Aufnahme aus den Tiefen des Weltalls betrachten. Oder das Lianengewirr im Dschungel.
Bilder von dunstigem Reiz sind so entstanden. Aber man konnte sich fragen: Wie will man so eine Bildsprache weiterentwickeln? Dunst ist nun mal Dunst. Was sonst als Dunst soll daraus werden?
Der Nebel gerinnt
Und doch blieb Brunner nicht stehen, entwickelte seine Bildsprache weiter, ohne ihr Kernthema zu verleugnen. Vom Rand her, wie eine Art Rahmung, drängte Neues ins Bild. Fast unmerklich erst. Weil auch diese Strukturen zunächst noch organisch waren. Nur eben nicht organisch in der Art von Dunst, sondern im Sinne von Flecken- oder Blasengewirr. Im Zentrum der Bilder blieb das Gefühl galaktischer Nebel erhalten; zum Rand hin jedoch wirkte es, als würde das Wölken zu härteren Strukturen gerinnen. Ozeanische Ungreifbarkeit trifft auf Texturen, die immer noch brodeln, aber eine festere Konsistenz suggerieren.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung mit Bildern von Reinhard Brunner ist in der Galerie Reinhold Maas, Gartenstraße 49 in Reutlingen, bis 22. April zu sehen, Dienstag bis Freitag 11 bis 18 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr. (GEA)
https://galeriereinholdmaas.de
So ging das eine Weile, und man konnte sich fragen – sind die Entwicklungsmöglichkeiten jetzt erschöpft? Doch nun bringt Brunner etwas völlig Neues ins Spiel: Hart begrenzte geometrische Flächen schieben sich vom Rand her ins Bild. Die Ränder wie mit dem Lineal gezogen, die Flächen mit klinisch gleichmäßigem Farbauftrag. Die ursprünglichen Elemente sind noch da: die wölkend-galaktische Zentralregion der Bilder ebenso wie die fleckig gerinnenden Texturen der Randbereiche. Doch nun ist das hinter das konstruktive Flächengerüst im Vordergrund gerückt. Es ist, als würde man durch eine futuristische Architektur hindurch ins wolkig Weite blicken. Oder als sei bei der Aufnahme eines Weltraumteleskops durch einen Fehler der - merkwürdig gezackte - Rand des Teleskops mit aufs Bild geraten.
Dezenter, nicht ganz so knallig Schwarz-Weiß, schieben sich geometrische Flächen auch vom Rand her in die urwaldartigen Bilder im Obergeschoss der Galerie. Das Naturhafte, das Chaos, die nebligen Tiefen des Alls - all das betrachten wir vom Standpunkt unserer geordneten Zivilisation aus. Auch daran erinnern Brunners Bilder. (GEA)