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Gelungenes Debütkonzert der »Orchesterakademie Baden-Württemberg« in Reutlingen

Beim Debütkonzert der »Orchesterakademie Baden-Württemberg« in Reutlingen teilten sich Amateure und Profis die Bühne.

Dirigent Florian Ludwig und die Musikerinnen und Musiker können stolz sein auf das Erreichte.
Dirigent Florian Ludwig und die Musikerinnen und Musiker können stolz sein auf das Erreichte. Foto: Christoph B. Ströhle
Dirigent Florian Ludwig und die Musikerinnen und Musiker können stolz sein auf das Erreichte.
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. Reutlingens Finanzbürgermeister Roland Wintzen hat es getan (am Fagott), eine Tübinger Jura-Studentin (an der Bratsche), eine junge Frau mit Berufsziel Medizinerin aus Schleswig-Holstein (an der Oboe) und über hundert weitere ambitionierte Hobbymusikerinnen und -musiker. Sie schickten kurze Videos von ihrem Spiel an die Württembergische Philharmonie Reutlingen (WPR), um einen Platz in der neu ins Leben gerufenen »Orchesterakademie Baden-Württemberg« zu ergattern. Nun zählten sie zu den 67 Glücklichen, die mit den WPR-Musikerinnen und -Musikern ein gemeinsam erarbeitetes anspruchsvolles Programm präsentieren konnten. Es war das Debütkonzert dieses Projekts, das in zwei, drei Jahren wieder angeboten werden soll. Die Reutlinger Stadthalle war rund zur Hälfte gefüllt.

Dirigent Florian Ludwig nahm sich die Zeit, einige der mitwirkenden Amateurinnen und Amateure, die auf der Bühne Seite an Seite mit den Profis saßen, kurz vorzustellen. Der Professor für Orchesterleitung an der Hochschule für Musik Detmold hatte an zwei Wochenenden mit den Beteiligten geprobt und räumte ein, dass die Stücke wirklich schwer seien, auch für ihn als Dirigenten. Auch die Ideengeberin des Projekts, Susanne Häbe, Mitglied im Landesverband Baden-Württembergischer Liebhaber-Orchester, hatte sich erfolgreich dem Auswahlverfahren gestellt und war beim Konzert als Querflötistin dabei.

Meilensteine der Orchesterliteratur

Auf dem Programm standen mit der Tondichtung »Tod und Verklärung« von Richard Strauss und Modest Mussorgskis »Bilder einer Ausstellung« in der schillernden Orchesterfassung von Maurice Ravel zwei Meilensteine der Orchesterliteratur. Im Cello beispielsweise wurde nach dem ersten Stück durchgewechselt; hier hatte es besonders viele Bewerberinnen und Bewerber gegeben.

Wie aber klang nun dieser riesige Orchesterapparat? Erstaunlich schmiegsam und transparent. Gut aufeinander hörend, vor allem aber mit gutem Draht zum Dirigenten, spielten die Mitwirkenden. »Tod und Verklärung«, dieses Frühwerk von Strauss, zeigte im einleitenden Largo - in unruhigem Atem - »freundliche Träume«. Ein gewisses Entrücktsein wurde in den Holzbläser- und Violinsoli samt Harfenbegleitung gut ausgedrückt. Ein Paukenschlag beendete diese Ruhe. Mit dem Allegro molto agitato begann ein fiebriges Tremolieren. Wobei später das Verklärungsthema anklang. Die aufblitzende leidenschaftliche Musik wurde in ihren Entwicklungen immer wieder durch stockende Posaunen- und Paukenschläge aufgehalten. Gelungen: die kraftvoll aufschwingende Geste, die sich gegen den Tod stemmt beziehungsweise diesen verklärt.

Drolliges Bild

In den »Bildern einer Ausstellung« war es die große Farbigkeit des Klangs, die beeindruckte. Beginnend mit der Promenade, die in situationsangepassten Varianten als Überleitung zwischen den Stücken auftauchte - wobei Ravel sie bei der Instrumentierung an einer Stelle strich. Hinken und Stolpern, Schleichen, eruptive Schüttelanfälle und ein bizarrer Zickzack-Lauf prägten das Bild »Gnomus«. In »Das alte Schloss« legte das Altsaxofon in das Liebeslied eines Troubadours große Wehmut. In »Tuilerien« bestimmten nicht zu bändigende Kinder das Bild. In »Bydlo« verlor sich ein vorüberrollender klobiger Ochsenkarren in der Ferne. Die Melodielinie war hier tief in der Tuba angesiedelt. Das mit Abstand drolligste Bild gab das »Ballett der Küken in ihren Eierschalen« ab. In »Samuel Goldenberg und Schmuyle« endete ein Dialog jäh in einer grellen Dissonanz.

»Der Marktplatz von Limoges« schillerte lebhaft in allen Farben, das »Römische Grab in den Katakomben« kam unheimlich und geheimnisvoll daher. Packend und gespenstisch geriet dem Orchester »Die Hütte auf Hühnerfüßen«, während sich der Klang in »Das große Tor von Kiew« prachtvoll weitete. Majestätisch war hier der Blechbläserchoral, der vor dem glanzvollen Ende zweimal unterbrochen wurde durch einen leise angestimmten Holzbläserchoral aus der russischen Liturgie. (GEA)