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Geheimnisvolle Zeichen: Holzschnitte von Klaus Herzer in Öschingen

Rätselhafte Botschaften: Holzschnitte von Klaus Herzer, die mit Zeichen und Schrift arbeiten, sind im Holzschnitt-Museum in Öschingen zu sehen. Bei der Vernissage erklärte Kurator Clemens Ottnad, dass der Besucher vergebens auf eine Übersetzungshilfe hofft. Und warum das womöglich besser so ist.

Kirchenlied mit angedeutetem Text: Druckgrafik von Klaus Herzer in seiner Ausstellung im Holzschnitt-Museum in Öschingen.
Kirchenlied mit angedeutetem Text: Druckgrafik von Klaus Herzer in seiner Ausstellung im Holzschnitt-Museum in Öschingen. Foto: Armin Knauer
Kirchenlied mit angedeutetem Text: Druckgrafik von Klaus Herzer in seiner Ausstellung im Holzschnitt-Museum in Öschingen.
Foto: Armin Knauer

MÖSSINGEN-ÖSCHINGEN. Der intensive Naturbezug von Klaus Herzer ist bekannt. Dass in seinem Werk jedoch auch Schrift und Zeichen eine zentrale Rolle spielen, ist den meisten wohl nicht so präsent. Diesen Aspekt hat nun Clemens Ottnad in den Fokus gerückt, als er die neueste Sonderausstellung mit Werken Herzers am Holzschnitt-Museum in Öschingen zusammenstellte.

In den 1970ern hatten die Zeichen Klaus Herzers oft noch etwas Naturhaftes an sich.
In den 1970ern hatten die Zeichen Klaus Herzers oft noch etwas Naturhaftes an sich. Foto: Armin Knauer
In den 1970ern hatten die Zeichen Klaus Herzers oft noch etwas Naturhaftes an sich.
Foto: Armin Knauer

Wobei letztlich alles zusammenhängt. Natur und Landschaft ist bei Herzer spirituell aufgeladen; das Spirituelle drückt sich seinerseits in Symbolen aus. In den 1970ern packt Herzer all diese Aspekte in Holzschnitte, die wie Stelen wirken, zeichenhafte Skulpturen in der Landschaft – nur hier eben farbig in die Fläche gebannt. In diesen Zeichen klingt Naturhaftes an, hier und da denkt man an einen stilisierten Baum. Es klingt Religiöses an, weil manche dieser Gebilde an rituelle Stelen erinnern. Und es klingt Schriftliches an, weil man diese Formen als symbolhafte Zeichen deuten mag.

Wie Briefe oder Gesetzestafeln

Aus diesem ersten Ausstellungsraum gleitet man in einen weiteren und damit von den 1970er-Jahren in die 1990er und 2000er. Nun hat sich die Schrift verselbstständig, das Naturhafte hinter sich gelassen. Das Religiöse bewahrt sich freilich in einigen Arbeiten. Manche Drucke wirken nun wie Gesetzestafeln vom Berg Sinai.

Wie eine Lupe, die über einen Brief gleitet: Herzers Holzschnitt »Medaillon« in seiner Ausstellung in Öschingen.
Wie eine Lupe, die über einen Brief gleitet: Herzers Holzschnitt »Medaillon« in seiner Ausstellung in Öschingen. Foto: Armin Knauer
Wie eine Lupe, die über einen Brief gleitet: Herzers Holzschnitt »Medaillon« in seiner Ausstellung in Öschingen.
Foto: Armin Knauer

Auf anderen fällt das Monumenthafte weg. Die Schrift wird privat. Wird Ausdruck eines subjektiven Gedankenstroms, hingekritzelt wie ein Brief – und in diesem Duktus technisch meisterlich in den Holzschnitt übersetzt, mit weißen, schwarz beschatteten Lineaturen auf Silbergrund, etwa in dem kreisrunden Druck »Medaillon«.

Kein »Stein von Rosetta«

Lesbar sind weder die markanten Runen auf den »Gesetzestafeln« noch die zart dahinhuschenden Krakelüren der Briefbilder. Manch einer wünschte sich nun vielleicht eine Übersetzungshilfe. So wie den berühmten »Stein von Rosetta«, der einst den Archäologen ermöglichte, die altägyptischen Hieroglyphen zu entziffern – Kurator Clemens Ottnad ging darauf ausführlich bei seiner Einführung ein.

Angedeutete Musiknotation auf einer Art Gesetzestafel: Holzschnitt von Herzer in seiner Ausstellung.
Angedeutete Musiknotation auf einer Art Gesetzestafel: Holzschnitt von Herzer in seiner Ausstellung. Foto: Armin Knauer
Angedeutete Musiknotation auf einer Art Gesetzestafel: Holzschnitt von Herzer in seiner Ausstellung.
Foto: Armin Knauer

Er erklärte aber auch, warum es besser ist, dass für Herzers Schrift-Bilder ein solcher Rosetta-Stein nicht existiert: Weil seine Arbeiten so universell bleiben. Sie drücken nicht einen bestimmten Inhalt aus, sondern bleiben offen für alles, was der Besucher darin sehen möchte. Anders gesagt: Anstatt über Liebesbeteuerungen an eine Geliebte Auskunft zu geben, spricht Herzer in diesen Arbeiten von der Möglichkeit des Sich-Mitteilens und des Sich-Öffnens schlechthin. Es liegt die Geste des Sich-Anvertrauens in diesen Bildern; die Geste, mit der man sein Innerstes auf dem Weg des Schreibens in die Hände eines anderen legt – und auf dessen Verstehen vertraut.

Deutung bleibt offen

So wird auch in der Ausstellung dem Betrachter ein Innerstes in die Hände gelegt, mal als wuchtig-kategorische Aussage, mal als intimer Gedankenfluss. In der Hoffnung, dass der Empfänger damit verantwortungsvoll umzugehen weiß.

Unweigerlich gerät die Schrift so bei Herzer in die Nähe der Musik. Die ja auch Ausdruck eines Inneren ist, auch hier oft ohne Worte. So mischen sich in manche der Holzschnitte nicht zufällig Notenlinien und Notensymbole. Die Geste des Übermittelns nimmt die Form eines gedachten Musikstücks an.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Zeichen, Schrift und Notationen« ist im Holzschnitt-Museum Klaus Herzer in der Obergasse 1 in Öschingen bis 27. September 2026 zu sehen. Geöffnet ist jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr. (GEA)

Auch hier braucht es keine Übersetzungshilfe. Weil es eben nicht um konkrete Musikstücke geht, sondern um Musik als gedachten Gedankenstrom und Verbindung zu einem Gegenüber. Erst in der Fantasie dieses Gegenübers vollendet sich der Brückenschlag. Und auch hier klingt zuweilen die religiöse Sphäre wieder an, indem Herzer in einigen Blättern Kirchenlieder andeutet, mit zeichenhaften Noten und angedeuteten Liedtexten, die an spätmittelalterliche Notationen denken lassen.

Dauerschau überarbeitet

Clemens Ottnad, im Hauptberuf Geschäftsführer des Künstlerbunds Baden-Württemberg, hat eine feine Ausstellung zusammengestellt, luftig gehängt, sodass jede Arbeit zur Geltung kommt. Er hat auch die Dauerschau zur Entwicklung des Holzschnitts im Obergeschoss überarbeitet. Auch dort hat er gelichtet, die verbliebenen Bilder haben mehr Platz, die vier Räume wirken nun aufgeräumter. Und er hat die Geschichte des Holzschnitts bis in die Gegenwart fortgeführt, mit exemplarischen Arbeiten von Christiane Baumgartner, Martina Geist, Matthias Mansen, Bodo Korsig, Wolfgang Gäffgen und anderen. (GEA)