REUTLINGEN. Günther Sommers Malerei kommt mit der Anmutung von Street-Art daher. Der gebürtige Stuttgarter, seit 2023 Mitglied des Reutlinger Pupille-Vereins, Schlagzeuger auch, schafft Kunst mit großem stilistischem Wiedererkennungswert. »Man könnte meinen, dass Sommer die Bildfläche wie ein Instrument bespielt und die gestische Musikalität eines Drummers sich in der Dynamik der Formen spiegelt«, sagte die Kunsthistorikerin und Bildhauerin Barbara Berger in ihrer Einführung in die Ausstellung »Rituale? Rituale!« mit Bildern, Assemblagen und Buchobjekten des in Kusterdingen lebenden Künstlers. Die gut besuchte Vernissage umrahmte das Duo Horse Mountain stimmungsvoll mit akustischer Country-Musik und Singer-Songwriter-Liedern.
In der Reutlinger Produzentengalerie Pupille sind fast drei Dutzend Werke Günther Sommers versammelt, der als Kunsterzieher am Friedrich-List-Gymnasium in Asperg tätig war. Berger bezog den Ausstellungstitel »Rituale? Rituale!« nicht zuletzt auf den kreativen Schaffensprozess selbst. Im Gegensatz zu einer Gewohnheit beschreibe das Ritual »Wandlungen von einem Zustand in den anderen«, sagte sie. Der künstlerische Prozess gehöre in die Kategorie eines Rituals, weil es sich darum handele, »den Ausdruck eines Seelenzustands zu erreichen und diesen mittels der Farbe aus einer unsichtbaren in eine sichtbare Wirklichkeit zu transformieren«.
Verformung von Masse durch Energie
Günther Sommer selbst bezeichnet viele seiner Bilder als »Spielfelder«. Es sind, wie Kathrin Hillermann einmal geschrieben hat, »Bilder mit gestischer Dominanz«. Was besonders für seine abstrakt wirkenden Bilder gilt, die Barbara Berger teilweise wie makrokosmische Raumzeitbilder vorkommen, »die in ihrer Bewegtheit die Verformung von Masse durch Energie darstellen«.
Vieles von Günther Sommers Malerei ist aber auch figurativ und gegenstandsbezogen. Sie lässt Zeichen, Idole und Motive auch aus vorherigen Bildern immer wieder auftauchen. Und sie ist oft durch Literatur oder Musik inspiriert. Zu Friedrich Schiller hat der Künstler in früheren Jahren gearbeitet - und dafür Preise bekommen. Jenem Dichter und Dramatiker also, der in seinen »Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen« feststellte: »Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«
Trauriger schwarzer Schattenengel
Barbara Berger ging nicht zuletzt auf eine Arbeit Sommers ein, die Jim Morrison, Frontmann der Rockband The Doors, in drei Versionen zeigt. Da ist zum einen das Porträt Morrisons zu seinen Lebzeiten. »Man erkennt die Vitalität und Leidenschaft des Rockstars, mit der er seine poetisch-sozialkritischen Lieder vertritt. Sein Haupt ist umflort von einer Aura schillernder, leuchtender Farben.« Daneben sieht man das Rockidol schon als verkörperte Legende. »Wie ein Denkmal thront das bekrönte Porträt auf einem Sockel.« Doch sieht man Morrison, bekannt für seinen exzessiven Lebenswandel, auch in einer dritten Darstellung, »wie er als trauriger schwarzer Schattenengel die Bühne des Lebens verlässt«. 27 Jahre jung war der Musiker, als er 1971 in Paris starb.
Porträts hat Sommer auch von Musiklegende Bob Marley gemalt. Eines davon ist Teil einer Assemblage mit Bohrer und Propellern, die für Berger im Kontext der Darstellung »zugleich die Spanne zwischen Tiefgründigkeit und Höhenflug, Schwere und Leichtigkeit oder Versklavung und Freiheit bedeuten können«.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »Günther Sommer: Rituale? Rituale!« ist bis zum 9. März in der Produzentengalerie Pupille, Peter-Rosegger-Straße 97 in Reutlingen, zu sehen. Geöffnet ist Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. (GEA)
»Rituale? Rituale!« Für Berger steht der Ausstellungstitel auch in Beziehung zu Sommers oft archaischer Formensprache - würden die menschlichen Figuren doch an kykladische Idole und an Skulpturen afrikanischer oder ozeanischer Provenienz erinnern. »Neben solchen Idolen oder mythologischen Figuren stehen dann wiederum realitätsnahe Jetztzeitmenschen. Hier ein König, da ein Punker.« Wobei die sozialen Unterschiede aufgehoben seien. Man sehe die Figuren »gleichwertig im malerischen Nebeneinander auftreten«. (GEA)