TÜBINGEN. Die Freie Bühnenszene in Tübingen sichtbarer machen, das ist das Anliegen des Vereins Pact e.V., kurz für »Performing Arts Collective Tübingen«. Freie Tänzer, Performer, Choreografen, Artisten, Figurenspieler - sie alle haben sich 2021 unter diesem Dach zusammengeschlossen. Und gleich ein opulentes Festival hingelegt. Das geht nun vom 12. bis 15. Oktober in die zweite Runde. Die wird fast durchweg von den Pact-Mitgliedern selbst bespielt. Unter dem Motto »The Power of Pact« gibt es Aufführungen, Workshops, Partys. Für Kinder ist genauso was dabei wie für Erwachsene.
Im Zentrum steht die Begegnung mit den Pact-Künstlern. So mancher Blick hinter die Kulissen bietet sich. So stellt das Artisten-Duo Chris Iris alias Iris Pelz und Christopher Schlunk sein neues Programm »VRSTLLNG / mit oeu« noch im Entstehen vor. Figurenspielerin Anja Luik mischt sich am Festivalsamstag im Sudhaus-Außenbereich als Walking Act unters Volk. Figurenspieler Frank Soehnle lädt zur Werkstatt-Begegnung mit seinen Puppen.
Auch sonst ist Begegnung angesagt. Am Festival-Freitag, -Samstag und -Sonntag kann man die Pact-Künstler ab 11 Uhr in der »Pact-Lounge« im Sudhaus treffen. Der Donnerstag und Freitag mündet jeweils in eine Party ab 21 Uhr im Sudhaus-Foyer - die erste mit DJ Drehscheibe, die zweite mit DJ Alice. Am Samstagabend lädt Michael Miensopust im Sudhaus zur »Faust-Disco«. Die Glieder schütteln mit Goethe - das hat was!
Partner-Akrobatik und Körperarbeit
Auch bei diversen Workshops kommt man ins Gespräch. Da geht es um kreative Körperarbeit, um Partnerakrobatik, um Theater. Teils richtet sich das an Erwachsene, teils an Kinder. Überhaupt ist für Kinder einiges geboten. So das Stück »Schuh-hu« von Cinira Macedo, das für ein Publikum von 18 Monaten bis 6 Jahren gedacht ist.
Fast alle Stücke sind Uraufführungen oder Tübinger Erstaufführungen. Oft führen sie in wunderliche Welten. »Wild Beauties« von Anne-Kathrin Klatt zeigt die Evolution von Figurentheater-Fantasiewesen. In der Performance »Zugkräfte« zerren fünf Akteure an Seilen. Im Tanzstück »Laino Artean«, baskisch für »Im Nebel«, streben vier Performer/innen nach Befreiung aus Unsicherheit, Erstarrung und Illusion. In »Diva« spürt Tänzerin Maria Olatz Arabaolaza dem Traum von ewiger Jugend nach.
Ob Workshops oder Aufführungen: Oft geht es um den Körper und seine Wahrnehmung. Kein Wunder, dass der Sonntag in eine performative Modenschau mündet. In der sich spielerisch Tod und Mode begegnen, mit den Mitteln von Tanz, Schauspiel und Design.
Dass die zweite Ausgabe des Pact-Festivals kleiner angelegt ist und die eigenen Kräfte ins Zentrum rückt, hat auch finanzielle Gründe, wie Choreografin und Pact-Vorstandsmitglied Katja Büchtemann erläutert. Profitierte der Erstling noch von Corona-Fördermitteln, so sprudeln die Zuschüsse inzwischen weniger üppig. Das bekam nach dem Vielklang-Festival nun auch Pact zu spüren. Vom Innovationsfonds des Landes gab's Büchtemann zufolge gar nichts, vom Landesverband Freie Darstellende Künste (LaFT) mit 10.000 Euro weniger als erhofft. Dazu kommen 5.000 von der Tübinger Bürgerstiftung sowie von der Stadt 5.000 Euro plus die Miete für die Aufführungen im Sudhaus.
Pact-Festival
12. Oktober:
- »Wild Beauties«, Figurentheater, 18 Uhr, Sudhaus, Theatersaal
- »VRSTLLNG - mit oeu«, Akrobatik, 20 Uhr, Sudhaus, Saal
13. Oktober:
- »Zugkräfte«, Performance, 18.30 Uhr, Sudhaus, Außenbereich
- »Laino Artean - Im Nebel«, Tanztheater, 20 Uhr, Sudhaus, Saal
14. Oktober:
- »Rabenmutter«, Tanztheater, 16 Uhr, Sudhaus, Theatersaal
- »Diva«, Tanztheater, 18 Uhr, Sudhaus, Theatersaal
- »Things on Strings - Meet The Artist«, Figurentheater, 20 Uhr, Sudhaus, Werkstatt
15. Oktober:
- »Schuh-hu«, Tanzstück für Kinder von 18 Monaten bis 6 Jahren, 16 Uhr, Sudhaus, Theatersaal
- »Ein Dialog zwischen der Mode und dem Tod«, Theater, Tanz und Modenschau, 18 Uhr, Sudhaus, Werkstatt
Außerdem gibt es verschiedene Workshops, Discos, Werkstatt-Begegnungen, einen Walking-Act und von Freitag bis Sonntag um 11 Uhr eine Pact-Lounge.
www.pact-tuebingen.de
Abgesehen von den Finanzen brennen Pact fehlende feste Probenräume unter den Nägeln. »Wir proben überall und nirgends«, klagt Büchtemann. Ein festes Probendomizil würde ihr zufolge die Sichtbarkeit der Szene erhöhen. Möglichkeiten sieht man im Schlachthaus-Areal, im Sudhaus oder im SWT-Kulturwerk. Bislang hat sich aber noch nichts Festes aufgetan.
Zudem hofft man, Ansprechpartner in Sachen kulturelle Bildung zu werden bei Tübinger Institutionen. »Wir machen schon viel an Schulen und Kindergärten, aber bisher macht das jeder alleine.« Pact könne das bündeln, einen Pool bilden mit entsprechenden Angeboten, so Büchtemann. Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) mache deutlich, wie wichtig es sei, Konzepte wie kreative Körperarbeit in Schulen und Kindergärten zu tragen: »Wir müssen uns überlegen, was brauchen wir in der Bildung, was eine KI nicht kann.« Ein Pact-Festival kann eine KI jedenfalls sicher nicht bieten. (GEA)