TÜBINGEN. In der ersten von ihr geleiteten Ausgabe der Französischen Filmtage hat die neue künstlerische Leiterin Lisa Haußmann eigene Akzente gesetzt. In dem am Mittwochabend zu Ende gegangenen Festival wurden mit dem Familienwochenende oder dem Filmfrühstück neue Formate angeboten – und vom Publikum gut angenommen.
Der Hauptpreis, der mit 5.000 Euro dotierte Filmtage-Tübingen-Preis, gestiftet von der Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg, ging an »Diya – Le prix du sang« (»Diya – Blutgeld«) von Achille Ronaimou. Er thematisiert die im Tschad verbreitete Praxis, Konflikte mit der Zahlung von Blutgeld zu regeln.
Während der Festivalwoche vom 29. Oktober bis zum 5. November gab es neben zahlreichen Filmen auch bereichernde Begegnungen mit internationalen Gästen aus der Filmwelt und jede Menge Festival-Stimmung in Stuttgart, Tübingen, Reutlingen und Rottenburg.
Den Sieger des Hauptpreises ermittelte die Jury – bestehend aus Schauspielerin María Cavallier-Bazan, Regisseurin Hind Meddeb und Produzent Paul Thiltges – aus den neun Filmen in der Sektion »Internationaler Wettbewerb«, zu denen ausschließlich erste oder zweite Langfilme von Filmschaffenden zugelassen waren. Am Siegerfilm »Diya – Le prix du sang« von Achille Ronaimou lobte die Jury: »Ohne je moralisierend oder theoretisch zu werden, gelingt es dem Film allein mit den Mitteln des Kinos, ein individuelles Schicksal zu zeigen, das für uns das Schicksal eines ganzen Kontinents erhellt.« Bemerkenswert sei, dass es sich um ein Thriller-Drehbuch handle, das den Zuschauer dazu bringt, über große Fragen nachzudenken: die Spannung zwischen Tradition und Moderne, Gemeinschaft und Individualismus, Würde und Demütigung, Wahrheit und Lüge, so die Jury.
Publikumsliebling »Le Répondeur«
Den Publikumspreis holte Fabienne Godet mit ihrer Komödie »Le Répondeur« über einen begabten Stimmenimitator, der sich am Telefon als ein bekannter Schriftsteller ausgibt. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert, gestiftet von Arthaus Filmtheater Stuttgart, Lukaszewitz Einrichtungen Reutlingen sowie Rehaktiv Mössingen und Reutlingen.
Die Tübinger Jugendjury – zum zweiten Mal bestehend aus französischen und deutschen Jugendlichen – vergibt ihren Preis, gestiftet vom Deutsch-Französischen Jugendwerk Paris/Berlin, an »Ma frère« (Mein Bruder) von Lise Akoka und Romane Gueret. Sie schufen ein sensibles Porträt einer Freundschaft im Wandel auf dem unsicheren Terrain des Erwachsenwerdens. Die Begründung der Jury: »›Ma frère‹ hat viele starke Momente, welche sich unter anderem mit komplexen Familiendynamiken auseinandersetzen. Und trotzdem behält der Film eine hoffnungsvolle und humorvolle Stimmung bei.«
Der Preis der Jugendjury Stuttgart, gestiftet von der Stadt Stuttgart, der bereits am Dienstag verliehen wurde, ging an »Cassandre« von Hélène Martin. Gezeigt wird ein intimes Drama, das ein 14-jähriges Mädchen, sexuelle Übergriffe innerhalb der Familie und die Wiederaneignung des eigenen Körpers eindrucksvoll in den Fokus rückt.
Die Jury überzeugten vor allem die wirkungsvollen Bilder, eine konzeptuell starke und überzeugende Erzählweise, die herausragende Filmkomposition, sehr reale Darstellung und die guten Identifikationsmöglichkeiten. Das Fazit der Jugendlichen: »›Cassandre‹ ist ein Film, der bei uns Spuren hinterlassen hat.« (eg)

