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Früher war alles anders: Bernhard Hoëcker im Reutlinger franz.K

Der Comedian Bernhard Hoëcker nimmt im franz.K die rosige Vergangenheitsverzerrung der Boomer-Generation auf die Schippe. Sein eigentliches Talent liegt aber woanders.

Bernhard Hoëcker erinnert sich im franz.k, wie furchtbar die gute alte Zeit war.
Bernhard Hoëcker erinnert sich im franz.k, wie furchtbar die gute alte Zeit war. Foto: Steffen Becker
Bernhard Hoëcker erinnert sich im franz.k, wie furchtbar die gute alte Zeit war.
Foto: Steffen Becker

REUTLINGEN. Dass man alt wird, merkt man daran, wenn man Leute aus dem Fernsehen kennt. Stars für Menschen unter 30 machen Shows auf Streaming-Plattformen und posten Schnipsel davon auf Tiktok. Bernhard Hoëcker hingegen kennt man aus Rateshows in der ARD. »Ich freue mich über jeden jungen Menschen, der ein Foto mit mir machen will. Dann weiß ich, der oder die ist korrekt und besucht regelmäßig die Oma«, sagt er auf der Bühne des franz.K.

Die Großeltern schauen nicht nur lineares TV. Sie geben auch Geld für Karten aus. Das franz.K ist ausverkauft, sogar ein paar Jüngere haben sich in den Saal verirrt. Hoëcker spricht einen an - und wird gleich ernüchtert: Die Karte war ein Geschenk der Mama. Die amüsiert sich dafür prächtig.

Powerpoint mit 70er-Tapete

Kern der Show »Morgen war gestern alles besser« ist Nostalgie. Im Hintergrund flirrt eine auf 90er gemachte Powerpoint mit Bildern von 70er-Jahre-Tapeten. Davor redet Hoëcker darüber, wie man in den 80ern Urlaubsfotos gemacht hat. Und fragt nach den Kinder-Hobbys des Publikums - wie schön war die Zeit, als man noch »Klingel putzen« machen konnte, ohne von Hightech-Kamerasystemen aufgezeichnet zu werden.

So weit, so Boomer-Humor. Hoëcker bringt ihn, um ihn gleich wieder zu brechen. Schon zu Beginn flicht er in Rudi Carrells »Wann wird’s mal wieder richtig Sommer« einen klaren Gegensatz ein. Auf »wir hatten ständig Kratzer an den Knien und waren immer nur im Freien« (schön war die Zeit) folgt »im Auto rauchten alle Kinder mit, im Essen war ganz viel Acrylamid« (nicht so gut). Hobby-Wissenschaftler Hoëcker erläutert im Verlauf des Programms dann, warum wir uns nur an die schönen Aspekte von »früher« erinnern – Stichwort: rosige Vergangenheitsverzerrung.

Schlagfertige Interaktion

Das ist unterhaltsam, aber auch nicht neu oder superoriginell. Die wahre Live-Stärke von Hoëcker sind denn auch nicht die vorbereiteten Thesen, sondern sein Improvisationstalent. Ständig bezieht er sein Publikum mit ein und macht aus den ihm zugeworfenen Schlagworten schlagfertige Zwischenspiele. Er fragt etwa die Akademiker im Saal nach dem Titel ihrer Abschlussarbeit. Eine Germanistin nennt irgendwas mit Interferenzen beim »Wigalois« des Wirnt von Grafenberg. Weil die schwäbelnde Beschreibung einer Arbeit über einen mittelhochdeutschen Versroman bei Hoëcker erst mal »lost in translation« ist, nutzt er sie einfach als Auftakt für eine Auseinandersetzung mit dem Wandel der deutschen Sprache. Die geht nämlich nicht den Bach runter, sie verändert sich einfach kontinuierlich. Jugendliche sprechen demnach kein schlechtes, sondern junges Deutsch. Das zu hören, freut dann auch die zwei 17-Jährigen im Saal. (GEA)