REUTLINGEN. Jahrzehnte hat Marina Paccagnella das Publikum der Württembergischen Philharmonie mit ihren Harfenklängen bezaubert. Am Sonntag verabschiedete sie sich mit einer Kammermusikmatinee im Probenstudio des Orchesters in Orschel-Hagen in den Ruhestand. Als Duopartner brachte Paccagnella ihren WPR-Kollegen, den Flötisten Peter Eberl, mit.
Der gesamte Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, sodass sogar noch zusätzliche Stühle benötigt wurden, um dem Besucheransturm gerecht zu werden. Den Beginn bestritten die beiden Musiker mit Bachs Sonate IV in C-Dur. Flötist Peter Eberl zeigte im Allegro seine Fähigkeit, lange Läufe scheinbar mühelos auf- und abschwingen zu lassen, während er von den leichten, fast feenartigen Klängen der Harfe begleitet wurde. In den beiden Menuetten trat die Harfe mehr in den Vordergrund. Die beiden Solisten wechselten sich ab, jeder ließ mal dem anderen Vortritt. Und doch harmonierten sie immer miteinander, schätzten sich gegenseitig.
Abschied nach 35 Jahren
Nach 35 Jahren im Orchester verabschiedete Paccagnella sich sichtlich gerührt vom Publikum. Sie bedankte sich beim Freundeskreis der Württembergischen Philharmonie, der die Matinee ermöglicht hatte, sowie bei allen Menschen, die öffentlich oder im Verborgenen für das Orchester arbeiten. Und schließlich auch beim Intendanten des Orchesters Cornelius Grube.
Die gebürtige Italienerin erzählte kurz von ihrem Werdegang. Begonnen hatte alles in Padua, wo sie Harfe studierte, bevor sie nach Freiburg zog, um ihre Ausbildung zu vertiefen. Mit den »Quatre danses médiévales« des Schweizer Komponisten Joseph Lauber (1864-1952) standen nochmal kleine Kompositionen unterschiedlicher Gestalt auf dem Programm. Die fließenden Klänge der beiden Instrumente luden zum Träumen ein und hatten eine beruhigende Wirkung.
Berührendes Solostück
Neben Werken für beide Instrumente war auch das Werk für Soloharfe »Chanson dans la nuit« des französischen Komponisten Carlos Salzedo auf dem Programm. Lange Glisandi und träumerische Melodien sowie ungewöhnliche Harfenklänge wie das von unten nach oben Streichen auf tiefen Seiten, wodurch ein rauer Klang entsteht, zeichnen das Stück aus. Paccagnella zeigte sich dabei ganz in ihrem Element.
Sie erzählte, dass sie erst mit 17 Jahren herausgefunden habe, dass sie ihr Hobby, Harfe zu spielen, zum Beruf machen und das Instrument studieren möchte. Ein Glück für das Reutlinger Publikum, dass sie es getan hat. Denn so konnte es bei dieser Matinee den spanisch anmutenden Klängen von Maurice Ravels »Pièce en forme de Habanera« und einer klassischen Sonate von Gaetano Donizetti lauschen.
Karnevalslust à la Venedig
Mit Giulio Briccialdis (1818-1881) »Il Carnevale di Venezia« zeigte Eberl, wie leichtfüßig und verspielt er der Flöte Töne entlocken kann. Die Melodie, bekannt durch den Kinderreim »Mein Hut, der hat drei Ecken«, wurde in verschiedenen Variationen präsentiert. Locker-leichte Phrasen reihen sich wie Girlanden aneinander; immer wieder tauchen die Motive der Melodie mit den unterschiedlichsten Verzierungen und musikalischen Spielereien auf. Das Stück versprühte den bunten Trubel des Karnevals, stets verkleidet in musikalische Farben.
Am Ende gab es lang anhaltenden Applaus für das Duo und Standing Ovations für die scheidende Marina Paccagnella. Wer auch immer ihre Nachfolge antreten wird, hat große Fußstapfen zu füllen. (GEA)