REUTLINGEN. Wird ein Kleinkünstler eigentlich zum Großkünstler, wenn er den Großen Saal der Stadthalle Reutlingen mit 1.240 Leuten ausverkaufen und begeistern kann? Klavierkabarettist Bodo Wartke, mittlerweile 48 Jahre alt, gastierte auf Einladung des Kulturzentrums franz.K in Reutlingen, ist aber für die kleine Bühne dort inzwischen zu groß geworden. Der in Lübeck aufgewachsene Wahlberliner ist ein Multitalent, der auf mehreren Klaviaturen spielt. Mittlerweile begleitet er seine zumeist lustigen Reime nicht nur am Klavier, sondern auch am Cajón, fügt mit Fußpedalen Percussions hinzu und rappt einige Songs auch zu elektronischen Beats.
»Mondscheinsonate« flott erklärt
Auch in seinen Texten hat er in seinem mittlerweile zwölften Programm »Wunderpunkte« wieder eine große Bandbreite. Da gibt es klassische Musikbildung, wenn er etwa Ludwig van Beethovens »Mondscheinsonate« und Arnold Schönbergs Zwölftonmusik erklärt und mit lustigen Texten besingt. Da gibt es Liebeslieder mit einem Augenzwinkern, politische Botschaften für religiöse Toleranz und gegen den Klimawandel, sowie die Frage, wie der Zungenbrecher von Fischers Fritz und seinen frischen Fischen weitergeht. In Wartkes Version kommt die Miezekatze und stibitzt die frischen Fische.
Mittlerweile ist Wartke durch soziale Medien wie Youtube und Tiktok auch ein viraler Internetstar geworden. So erreichte sein Song »Barbaras Rhabarberbar« Ende 2023 innerhalb kurzer Zeit 47 Millionen Aufrufe auf Tiktok, vor allem weil zwei junge Australierinnen einen Tanz dazu entwickelten. Auch der Zungenbrecher vom dicken Dachdecker wurde zu einem Internetphänomen. Beide Lieder spielte Wartke erst in der Zugabe.
Im Herzen ein Boomer
Zuvor bewies er dem Reutlinger Publikum mit seinem Song über ein Mixtape mit Liebesliedern aus den 1980er-Jahren, deren Refrains die Reutlinger lautstark mitsangen, dass er im Grunde seines Herzens ein Boomer geblieben ist. »Die ältere Hälfte des Publikums nickt, wenn ich vom Aufwickeln des Bandsalats mit einem Bleistift erzähle. Und die jüngere Hälfte fragt sich, von was der alte Mann da spricht«, kommentierte Wartke.
Eine einzige Coverversion hatte Wartke im Programm: Nina Chubas »Wildberry Lillet«. Allerdings ersetzte er in der Refrainzeile den titelgebenden Longdrink durch »ich bin in der FDP«. Das Publikum entließ Wartke mit dem Versuch, Schlager und Gangsterrap zu versöhnen: Zur Melodie von Helene Fischers »Atemlos« sang er über seinen »Lambo« der vom »ahnungslosen Amt« bezahlt werde. (GEA)