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Aktuell Französische Filmtage

Filmen bis zum letzten Atemzug

TÜBINGEN. Ein kleiner jüdischer Junge wird während der deutschen Besatzungszeit in Paris im Zweiten Weltkrieg von seinen Eltern im Kino versteckt und lernt im schützenden Dunkel zwischen Filmprojektor und Parkett alle damaligen Filme kennen und lieben. Später kann er nicht anders, als selber Filme zu drehen. - Claude Lelouch, 1937 geboren, erzählt seine eigene Kindheit als Episode in dem Film »Ces amours-là«, mit dem gestern Abend die 27. Französischen Filmtage in Tübingen eröffnet wurden.

Und dem neuen Festivalleiter Christopher Buchholz ist zu verdanken, dass der Altmeister des französischen Kinos, dekoriert mit zwei Oscars und einer Goldenen Palme, auch persönlich angereist ist und dem Festival den Glanz seiner Prominenz verlieh.

»Ich vertraue nur Leuten, die mit Liebe bei einer Sache sind«
Wie die meisten Filme von Lelouch ist »Ces amours-là« (»liebe leben«) ein Liebesfilm. Im Mittelpunkt steht Ilva, hinreißend verkörpert von Audrey Dana, die für ihre Zeit erstaunlich selbstbestimmt ihre erotischen Begierden verwirklicht. Zwangsläufig bleibt dabei der eine oder andere Mann auf der Strecke, aber über allem steht immer der Zauber der großen Gefühle. Dabei sind die Zeiten schrecklich. Der Generation vor Ilva nahm der Erste Weltkrieg die Männer weg und ihre eigene Generation leidet unter den Nazis und deren Juden-Deportationen. Lelouch bringt dies in historisch wirkenden Szenen ins Bild, nutzt gleichzeitig aber auch das filmisch ergiebige Zeitkolorit in Mode, Haartracht, Uniformen und Filmzitaten.

In Frankreich, wo der Zweistundenfilm »Ces amours-là« Mitte September angelaufen ist, habe er außergewöhnlich gute Reaktionen hervorgerufen, berichtete Claude Lelouch gestern. Man habe gesagt, das sei der »lelouchste« Film bislang und manche hätten gemeint: »Den habe ich doch schon gesehen.« Nun sei er auf die Resonanz des deutschen Publikums gespannt.

Die Liebenden seien für ihn die einzig Wahrhaftigen im Leben, beteuerte der Regisseur, der zugleich auch Drehbuchautor und Produzent ist. Liebe ist indes ein breiter Begriff für ihn: »Ich habe meinen sieben Kindern beigebracht, dass sie den Alltag lieben. Und ich vertraue nur Leuten, die mit Liebe bei einer Sache sind.« Liebe umfasse jedoch nicht nur Plaisir, sondern auch Gefahr. Aber ohne Liebe und Verlangen hätte er niemals 43 Filme drehen können.

»Kino hat meinem Leben einen Sinn gegeben«
Das sind nicht nur Liebesfilme, sondern auch Krimis - »denn das Leben ist ein Thriller« - und Komödien, »um mich zu erholen.« Erholung und Entspannung habe er auch jetzt nötig, deshalb werde sein nächster Film wieder eine Komödie, so etwa im Stil von »L'aventure c'est l'aventure«, nämlich »eine Hommage an junge, mittlere und alte cons«, also Idioten, Blödmänner, Spinner.

Weil im Abspann von »Ces amours-là« alle berühmten Darsteller aus früheren Lelouch-Filmen Revue passieren, kam die Befürchtung auf, es könne sein letztes Werk sein. Keineswegs, konterte er: »Nicht ich entscheide, was mein letzter Film ist. Kino hat meinem Leben einen Sinn gegeben. Und wenn das Publikum kommt, drehe ich weiter, und wenn es nicht mehr kommt, auch. Filmemachen ist für mich lebensnotwendig wie Essen und Trinken. Und ich werde bis zu meiner letzten Sekunde filmen, wenn es ginge, sogar meinen Tod.« (GEA)