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Aktuell Konzert

Feuerwerk der Fingerfertigkeit

REUTLINGEN. Es ist schon erstaunlich, was man in jungen Jahren zu leisten imstande ist. Eine musikalische Veranstaltung am frühen Sonntagabend im Evangelischen Gemeindezentrum Hohbuch zeigte einen jungen Mann, Sebastian Fuß (Jahrgang 1999), der mit seinen 17 Jahren ein beachtliches Klavierkonzert veranstaltete. Die ausgewählten Werke waren allesamt stattliche und brillante Vertreter eines soliden pianistischen Repertoires. Vielversprechend waren die Voraussetzungen. Infolgedessen war auch weitaus mehr Publikum erschienen als gedacht, sodass die Bestuhlung aufgestockt werden musste.

Erwartungsvoll wurde der junge Pianist empfangen. Konzentriert und andächtig setzte er sich an den Flügel und begann das erste Werk, Johann Sebastian Bachs Englische Suite BWV 807. Mit kräftigem Anschlag erarbeitete er sich das Prélude. Bereits hier erkannte man den jugendlichen Eifer, der ihn zu höchsten Leistungen beflügelte. Sorgfältig erschuf er einen ordentlichen Bach, jeden Ton begreifend, äußerlich nicht exaltiert, sondern gesammelt, nicht schauspielernd, sondern auf den Inhalt fokussierend.

Beethovens »Waldstein«-Sonate

Mit der »Waldstein«-Sonate Op. 53 von Ludwig van Beethoven griff er zu einem Meisterstück. Die darin enthaltene grandiose Virtuosität birgt die Gefahr eines prahlerischen Effektstücks, welcher Fuß jedoch nicht nachgegangen ist. Messerscharf, aufwühlend und überaus spannend, mit brausender linker Hand, gelang der erste Satz, gedämpft und warm der Mittelteil und wiederum sprudelnd, heftig und mit scharfen Markierungen das Rondo. Ein kräftiges Feuerwerk der Fingerfertigkeit, eine imposante Leistung mit übersprudelndem jugendlichem Schwung! Letzterer zeigte sich auch in der Tempowahl, welche meist durchaus die oberen Gefilde streifte.

Claude Debussys »Suite Bergamasque« war ein weiteres repräsentatives Stück. Wunderbar gelang Fuß hier die Einfühlung in den gänzlich anderen Charakter. Sein Anschlag geriet farbig, plastisch, formend. Das Ungreifbare, Außerwirkliche, Verschleierte an Debussys Musik kitzelte er beseelt hervor. Das populäre »Clair de Lune« war reinste Klangpoesie, sodass man an Paul Verlaines gleichnamiges Gedicht erinnert wurde, mit Assoziationen wie »Au calme clair de lune triste et beau« (»Im stillen Mondenscheine schön und fahl« in Stefan Georges Übersetzung). Doch in seiner Gesamtgestalt vernachlässigte er niemals die Konturen und die rhythmischen Akzente.

Schumanns »Abegg«-Variationen

Enden sollte das Konzert mit Robert Schumanns »Abegg-Variationen«, ein Frühwerk Schumanns, in welchem er einer mysteriösen Dame diesen Namens huldigte; einen Namen, den man wie Bachs Namen bestens vertonen kann: a-b-e-g-g. Hier ist manuelles Vermögen gefragt, eine vollendete Technik, die gelegentlich spielerisch und leicht klingen soll. Fuß nutzte diese Gelegenheit, sich kühn und beherzt, in atemloser Spannung und Virtuosität zu zeigen.

Das Publikum war hingerissen von dieser Leistung und manch einer dachte nicht zu Unrecht, dass dieser junge Mann es wohl nicht schwer haben wird, an einer Musikhochschule aufgenommen zu werden. (GEA)