STUTTGART. Wer sich in Deutschland musikmäßig an einen beliebigen Zeitpunkt der letzten zwanzig Jahren zurückversetzen will, der sollte auf ein Konzert von Seeed gehen. Denn der Sound der Berliner Band war irgendwie immer da, ob im Radio, in Clubs, Bars, auf MTV oder auf Spotify-Playlisten. Sie waren immer da, obwohl sich Seeed Zeit lassen mit neuer Musik. Zwischen dem neuen Album »Bam Bam« und dessen Vorgängerwerk »Seeed« liegen immerhin sieben Jahre. Die dazugehörige Tour, mit der Seeed nun auch in der Stuttgart Schleyerhalle haltmachten, ist gewissermaßen auch eine Abschiedstournee. Abschied von Demba Nabé, einem der drei Frontsänger, der im Mai 2018 überraschend verstarb.
Lücke durch Tod von Nabé
Nabé hinterlässt eine Lücke auf der Bühne neben Peter Fox und Frank Dellé. Beim Lied »You & I«, das sie für Nabé singen, füllt ein einsamer Lichtstrahl diese Lücke. Musikalisch klappt das durch zwei neue Backroundsänger ganz gut, trotzdem fehlt etwas, wenn auf der Bühne links neben Peter Fox niemand mehr steht. Das neue Album ist zwar sehr gut, aber auch auf »Bam Bam« hört man, dass irgendwas anders ist. Die Musik ist mehr geradeaus, folgt einer klaren Linie, ist weniger durcheinander als die alten Sachen. Nabé war immer der Querdenker, der sich dagegen wehrte, dass Seeed zu sehr Pop wurde, der dafür sorgte, dass die Musik Dancehall blieb.
Trotzdem haben es Fox und Dellé auch ohne ihn geschafft, ein Album zu machen, das besonders ist und trotzdem allen gefällt. Musik, die auf Einweihungspartys von Autohäusern und auf Fridays-for-Future-Demos läuft, im Trödler in Engstingen wie in der Zelle in Reutlingen.
Mit dreizehn Musikern stehen Seeed in Stuttgart auf der Bühne und spielen sich durch ihre Diskografie. Auch von Peter Fox’ Soloalbum »Stadtaffe« sind Songs dabei. Er rappt »Schwarz zu Blau«, »Alles Neu«; gegen Ende der Show tanzt alles zu »Schüttel deinen Speck«. Viele deutsche Musikfans würden alles geben für ein neues Peter-Fox-Album. Er selber sagt, dass es keines mehr geben wird – was dann doch nicht so schlimm ist, weil man sich auch mit der Musik von Seeed gut über Wasser halten kann. Diese fetten Bässe, diese unverwechselbaren Vocals zwischen Berliner Straße und karibischer Dancehall-Soundsystem-Party findet man in Deutschland nämlich nirgendwo sonst.
Peter Fox und Frank Dellé bewegen sich wie die Mitglieder einer Boyband aus den Neunzigern – und der Sound ist so gut wie eh und je. Auf den Leinwänden neben der Bühne sind riesige Boxentürme animiert, die die Seele massieren. Ohne Demba Nabé ist alles neu. Möge er ihn Frieden ruhen und in der Musik von Seeed weiterleben. (GEA)