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Aktuell Musik

Fest weiblicher Inspiration

Die Gedok Reutlingen feiert ihr 70-jähriges Bestehen im kleinen Saal der Stadthalle mit großer Vielfalt

Gedok Reutlingen feiert ihr 70-jähriges Bestehen im kleinen Saal der Stadthalle Reutlingen
In irische Gefilde führten die Texte und Musikstücke, die Erika Christine Baumann als Rezitatorin sowie Christine Schäfer und Frank Suppanz an Blockflöte und Gitarre vortrugen. Foto: Dagmar Tumele
In irische Gefilde führten die Texte und Musikstücke, die Erika Christine Baumann als Rezitatorin sowie Christine Schäfer und Frank Suppanz an Blockflöte und Gitarre vortrugen.
Foto: Dagmar Tumele

REUTLINGEN. »Gib niemals auf, für das zu kämpfen, was du tun willst. Mit etwas, in dem Leidenschaft und Inspiration ist, kann man nicht falsch liegen.« Ella Fitzgerald drückt hier etwas aus, das insbesondere in der Kultur maßgeblich ist. Und natürlich hatten gerade Frauen immer wieder ein erhebliches Maß an Leidenschaft, Inspiration und vor allem Durchsetzungskraft nötig, um sich Männern gegenüber zu emanzipieren. Ida Dehmel sah diese Problematik und gründete in Hamburg die Gedok, eine Vereinigung von Künstlerinnen mit dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit.

Die Reutlinger Regionalgruppe wurde vor 70 Jahren von der Klöppelkünstlerin Leni Matthaei ins Leben gerufen. Um dieses Jubiläum zu feiern, hat die Gedok eine Reihe von Aktionen verwirklicht, unter anderem das ursprünglich für März geplante Jubiläumskonzert, das am Sonntagabend nun im kleinen Saal der Stadthalle endlich umgesetzt werden konnte.

Durch ein anregendes und reizvolles Konglomerat aus Musik, Lesungen und Performance ließen sich zwei Stunden überaus gehaltreich füllen. Dass beinahe ausschließlich Werke von Komponistinnen zu Gehör kamen, war nicht nur passend, sondern auch eine Enthüllung kostbarer, selten erklingender Musik. Julia Galic (Violine) und Angela-Charlott Linckelmann (Klavier) demonstrierten mit zwei Tänzen der polnischen Komponistin Grazyna Bacewicz die Haltung des leidenschaftlichen Musizierens. Kratzig, spritzig und scharfzüngig hoben Hände und Geigenbogen ab, ein wahres Feuer entzündend: Galic mit herber Intensität und einer unheimlich farbenfrohen und vitalen Dynamik über Linckelmanns gehaltvollem und kernigem Spiel.

Auch einen Satz aus Fanny Hensels Klaviertrio Op.11 gestalteten sie, gemeinsam mit Gregor Pfisterer am Cello, voller sprudelnder Gefühle, vollmundiger Töne. Linckelmann als tragende Säule, Galic führend und Pfisterer anschmiegsam und überaus empathisch.

Komponistinnen aus der Zeit der Romantik wie Clara Schumann, Fanny Hensel und Josephine Lang waren durch Anne Munding (Sopran) und Nathalie Dahme (Klavier) vertreten. Frohgemut ließ Munding sich auf die Sphäre des jeweiligen Liedtextes ein, was umso leichter gelang, als Dahme aufmerksam und gemütvoll begleitete.

Wie ein stiller Tempelgarten

Auch ein Auftragswerk der Gedok wurde uraufgeführt, »SABI« für Flöte und Klavier von Minako Tokuyama. Gefion Landgraf-Mauz (Querflöte) und Shoko Hayashizaki (Klavier) tauchten in die stille Welt eines Tempelgartens hinein. Gemäß der Beschreibung Tokuyamas entstanden Eindrücke von Schmetterlingsbewegungen, hervorgerufen durch Flatterzunge oder Triller, gepaart mit einzelnen nachhallenden Tönen und Tongruppen, welche Raum für Gedanken eröffneten.

Ein irisches Elfenmärchen, beseelt und erfüllt von Renate Hausmann als Sprecherin vorgetragen, mündete in ein Werk für Harfe (»Heilige Saiten«) der Komponistin Letizia Michielon. Marina Paccagnella, Harfenistin der Württembergischen Philharmonie Reutlingen, hielt Klänge fest, die das Märchen nochmals vor dem inneren Auge vorüberziehen ließen: zart und intim, geheimnisvoll wie aus fernen Welten, aber auch hart und klopfend.

Auch die schottischen und irischen Weisen, welche Christine Schäfer (Blockflöte) und Frank Suppanz (Gitarre) vortrugen, waren mit Texten verbunden. An die Gedichte von James Joyce, von Erika Christine Baumann mit zugänglicher und fassbarer Stimme rezitiert, schmiegten sich die von Schäfer eindringlich gezeichneten Melodien. Das gemeinsame Schwingen mit Suppanz war vorzüglich.

In die Tatsache, dass selbst eine Gabel oder Kaffeekanne erotisch sein kann, wurde man von Annette Koppenborg mittels eigener Gedichte eingeweiht. Ob hierin ein Ansatz zur Emanzipation steckt? Fraglos jedenfalls blieb die individuelle und mit überaus interessanten Formulierungen bestückte Diktion ihrer Produkte.

Weibliche Leidenschaft und Inspiration war in der Tat in allen Beiträgen zu finden. (GEA)