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Farben und Formen am blauen Band

»Gläserne Härten«: Das Kunstmuseum präsentiert in den Wandel-Hallen Kunst und audiovisuelle Konzerte

Ausstellungsmacher Holger Kube Ventura vor dem Folienwerk von Nikolaus Koliusis, hinten ein Bild von Vera Leutloff.  FOTO: KNAUE
Ausstellungsmacher Holger Kube Ventura vor dem Folienwerk von Nikolaus Koliusis, hinten ein Bild von Vera Leutloff. FOTO: KNAUER
Ausstellungsmacher Holger Kube Ventura vor dem Folienwerk von Nikolaus Koliusis, hinten ein Bild von Vera Leutloff. FOTO: KNAUER

REUTLINGEN. Selten war der Rote Faden einer Ausstellung so unübersehbar wie in der neuen Schau in der Konkreten Sammlung des Kunstmuseums Reutlingen in den Wandel-Hallen. Der Rote Faden ist hier zwar kein Faden und auch nicht rot, sondern ein Band aus blauer Folie. Aber es windet sich 64 Meter lang durch den Raum, ist Blickfang, Barriere, leitet den Besucher bis ins Innere der »blauen Zone«. »Sie müssen unbedingt am Nachmittag mal wiederkommen«, begeistert sich Holger Kube Ventura, der die Konkrete Sammlung des Kunstmuseums betreut und die Ausstellung zusammengestellt hat. »Es ist unglaublich, was mit dem Licht dann in diesem Raum passiert!«

»Gläserne Härten« hat Kube Ventura die Schau genannt, die dritte, die in einem Querschnitt die von Manfred Wandels Stiftung für konkrete Kunst übernommene Sammlung vorstellt. Der Titel spielt darauf an, dass viele Arbeiten spiegeln, Durchblicke zulassen, dass viele harte Linien und Kanten dominieren.

Der merkwürdig sperrige Untertitel »Konkrete, generative und sonisch visionäre Kunst« löst sich schnell auf, wenn man weiß, dass Musikfan Kube Ventura zwei Festivals in die Ausstellung eingebunden hat. Beide haben sich Konzerten verschrieben, die Klang und Projektionen verbinden: das Sonic Visions Festival von Friedemann Dähn und Thomas Maos in Reutlingen sowie das »Generate!«-Festival in Tübingen. Beide Festivals werden eine kleine Bühne im hinteren Bereich der Ausstellung mit Konzerten, Klanginstallationen und Performances beleben.

Techno in Formen

Das nicht von ungefähr. Überlegend, wie er die abstrakt-geometrische, oft spröde und verkopft anmutende Konkrete Kunst den Besuchern näher bringen könnte, ist Kube Ventura bei der Musik gelandet. Die oft fast mathematischen Wiederholungen und Abwandlungen von Formen in der Konkreten Kunst, sie hat etwas vom Pulsieren und den Schichtungen und Taktstrukturen von Tonkunst, findet Kube Ventura. Und nicht zufällig seien gar nicht wenige Künstler gerade dieser Kunstrichtung auch Musiker.

So inszeniert Kube Ventura in den Wandel-Hallen das Spiel der Linien, Quadrate, Rechtecke sozusagen als »visuellen Techno«. Während von ganz hinten im Raum dezent die elektronischen Technopulse von Elektronik-Klangkünstler Thomas Brinkmann wummern. An zwölf Abenden übernimmt die Klangkunst vorübergehend das Ruder, dazu kommt ein Vortrag über »konkrete Musik«. Das alles, konkrete Poesie, konkrete Musik, Techno, Minimal, Op Art, sei ja durchaus auch von der Konkreten Kunst beeinflusst worden, begeistert sich Kube Ventura.

16 Künstler stellt die Schau vor, wobei das blaue Folienband von Nikolaus Koliusis sozusagen von einem zum andern führt. Für die »harten Technorhythmen« stehen sozusagen Christian Wulffens Kompositionen mit schwarzen Siebdruckstreifen auf durchsichtiger Folie, die ganze Wände füllen. Oder die aus meterstabartigen Gebilden geformten Wand-Raum-Zeichen von Thomas Lenk, die wuchtig-markante Formzeichen in den Raum setzen. Auch Vera Leutloffs Malerei ist sozusagen »optischer Techno« mit ihren scheinbar ineinander stürzenden Röhrenkonstrukten, die bei näherem Hinsehen gegen jede Perspektivregel verstoßen. Leutloff, Jahrgang 1962, ist die Jüngste im Feld.

Anderes ist zurückhaltend und zart. Sanft bewegt sich George Rickeys Edelstahlplastik im Wind (eines Ventilators). Gerhard Wittner lässt den Betrachter in hauchzart sich voneinander abhebende Farbfelder in Nuancen von Weiß eintauchen. Rom Gaastras immer gleich geformte schachtelartige Farbkörper schweben in immer neuen Farbkombinationen im Raum. Ad Deckers und Hartmut Böhm wiederum zelebrieren von Bild zu Bild ein geistreiches Fortschreiten der Variationen. Flächen und Linien tauschen ihre Plätze, Quadrate verschwinden und werden als Dreiecke neugeboren. Konkrete Kunst als Domäne, die sich dem ewigen Puls von Wandel und Wiederkehr hingibt. Fast wie Musik. Fast wie das Leben. (GEA)

»GLÄSERNE HÄRTEN« IM KUNSTMUSEUM KONKRET

Eine Ausstellung und viele audiovisuelle Konzerte

Die Ausstellung »Gläserne Härten. Konkrete, generative und sonisch visionäre Kunst« ist bis 22. November geöffnet, Dienstag bis Samstag 11 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 bis 18 Uhr. Im Rahmen der Ausstellung sind folgende Veranstaltungen:

30. September,

20.30 Uhr: Atomox, Konzert;

10. Oktober,

18.45 und 19.05 Uhr: Fraction, Konzert;

11. Oktober,

11 Uhr: Musique concrète – Konkrete Musik, Nikodemus Gollnau, Vortrag;

21. Oktober,

20.30 Uhr: Filmscreening Kasumi Shockwaves;

29. Oktober,

19 Uhr: Judith Huber, Jaap Blonk, Konkrete Poesie und Live-Elektronik;

30. Oktober,

20 Uhr: Studio Otaika, Michel Winterberg, audiovisuelle Performance;

7. November,

17 Uhr: Duo Fatale, Music-Video-Art;

8. November,

20 Uhr, Strwüü, Klangperformance;

13. November,

20 Uhr, The Glad Scientist, Lucas Gutierrez, Performances;

15. November,

20 Uhr: Rudi Punzo, performative Klanginstallation;

20. November,

21 Uhr: Tatsuru Arai, Stefano D’Alessio, audiovisuelle Performances;

22. November:

18 Uhr, Khaled Kaddal, Perrine en morceaux, Soundperformance und Chanson Animale.

www.kunstmuseum-reutlingen.de