NEW YORK. Es ist einer dieser Songs, die man beim ersten Hören sofort erkennt. Die Rede ist von Suzanne Vegas »Tom’s Diner«. Neben »Luka« ist er bis heute ihr größter Hit in Deutschland. »Tom’s Diner«, ein ungewöhnliches kleines A-cappella-Stück, wurde später vom britischen elektronischen Tanzduo DNA geremixt und zu einem großen Clubhit. Zudem war »Tom’s Diner« der erste Song weltweit, der im MP3-Format gespeichert wurde.
Doch Suzanne Vega nur auf diese beiden Welthits zu reduzieren, würde ihr nicht gerecht. Nach ihrer ausverkauften Tour 2022 und weiteren erfolgreichen Konzerten im vergangenen Jahr dürfen sich ihre Fans nun auf neue Auftritte freuen.
Im Herbst auf Tour
Im Herbst kommt die Singer-Songwriterin aus New York für fünf Konzerte nach Deutschland. Mit im Gepäck hat sie ihr neues Album »Flying with Angels«, das Anfang Mai herauskam – ihr erstes Album mit ausschließlich neuen Songs seit über einem Jahrzehnt.
»Es fühlt sich großartig an. Die Songs wirken alle sehr frisch. Ich genieße es wirklich, das neue Material live zu spielen, besonders die Stücke, die im Dezember in letzter Minute entstanden sind. Ich denke, Gerry Leonard hat einen hervorragenden Job gemacht«, sagt die 64-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung.
Über ihr neues Werk sagt Vega, dass jeder Song eine Atmosphäre des Kämpfens widerspiegele. Für sie ist der wichtigste Kampf »der um den Erhalt der Demokratie in der heutigen Zeit«.
Hat sie einen persönlichen Lieblingssong auf der neuen Platte? »Das ändert sich. Manchmal ›Love Thief‹, manchmal ›Chambermaid‹. Im Moment ist es ›Alley‹, mit seiner Vision von Transzendenz«, sagt Vega.
Im Oktober dürfen sich ihre deutschen Fans also auf fünf Konzerte freuen. Gibt es eine besondere Verbindung zu Deutschland? Ja, die gibt es. »Der Vater meiner Mutter war deutscher Abstammung. Sein Nachname war Schumacher. Meine Mutter begleitete mich einmal auf eine meiner Deutschlandtouren, um mir mit meiner Tochter zu helfen, als sie noch klein war. Das ist eine tolle Erinnerung für mich«, erzählt Vega.
Mit dabei auf Tour ist neben Cellistin Stephanie Winters natürlich auch ihr treuer Wegbegleiter und Gitarrist Gerry Leonard. Gemeinsam präsentieren sie nicht nur ein Best-of aus Vegas langjähriger Karriere, sondern auch Songs ihres 2020 erschienenen Live-Albums »An Evening of New York Songs and Stories«.
Die zweifache Grammy-Gewinnerin und Leonard, der bereits mit Musikgrößen wie David Bowie und Cyndi Lauper zusammengearbeitet hat, bringen im Sommer die schönsten Lieder aus Vegas jahrzehntelanger Musikkarriere auf die Bühne. Dieses intime Zusammenspiel verspricht eine besondere Atmosphäre voller Emotionen und Leidenschaft. »Zwischen uns herrscht eine tolle Chemie«, verrät Vega.
Natürlich wird sie auch »Tom’s Diner« und »Luka« spielen – beide Songs gehören nach wie vor fest zu ihrem Repertoire. »Ich liebe es, sie zu singen! Es macht das Publikum sehr glücklich, und mich auch.«
Song über Missbrauch
Vega, die weithin als eine der führenden Songwriterinnen ihrer Generation gilt, wurde in den frühen 1980er-Jahren zu einer Schlüsselfigur des Folk-Revivals. Seit der Veröffentlichung ihres selbst betitelten, von Kritikern gefeierten Debütalbums von 1985 hat sie zahlreiche Songs geschrieben und aufgenommen, die zu Klassikern der zeitgenössischen Popmusik wurden.
Dazu zählt auch »Luka« – wohl der einzige Hit, der jemals aus der Perspektive eines missbrauchten Jungen geschrieben wurde. Hat sie in ihrem Umfeld je so etwas Schreckliches erlebt? »Ja, das habe ich. Ich habe mich entschieden, darüber in einer anderen Rolle zu schreiben, um meine Privatsphäre zu wahren«, sagt Vega. Ihre Alben, darunter »Suzanne Vega«, »Solitude Standing« und »99.9F«, haben sich millionenfach verkauft. Heute arbeitet Vega härter denn je an ihrer Gesangstechnik. »Ich bin viel zufriedener und habe das Gefühl, dass ich durch den Unterricht als Sängerin stärker geworden bin.«
Akustische Elemente
Ihre Lieder tragen den Stempel einer meisterhaften Geschichtenerzählerin, die die Welt mit einem scharfsinnigen, poetischen Blick betrachtet. Ihre Songs kreisen um das Stadtleben, gewöhnliche Menschen und die Herausforderungen der realen Welt. Ihr Werk ist heute genauso unverwechselbar und nachdenklich wie damals, als ihre Stimme vor über 30 Jahren erstmals im Radio zu hören war.
Mit neun Jahren begann sie, Gedichte zu schreiben, mit 14 schrieb sie ihren ersten Song. Ihren ersten Plattenvertrag erhielt sie 1984. »Ich habe mich großartig gefühlt. Aber auch ein bisschen besorgt, weil mich das von vielen meiner Freunde entfernte«, erinnert sich Vega. Von ihrer ersten größeren Gage kaufte sie sich »ein 60-Dollar-Glas Feuchtigkeitscreme und einen Mantel von Burberry«.
Ihr Album »Songs in Red and Gray« erschien im September 2001. Musikalisch konzentrierte sich Vega dabei wieder stärker auf akustische Elemente. Bis heute bevorzugt sie Musik mit einer akustischen Gitarre. »Ich liebe alle Arten von Musik, aber ich beherrsche nur ein Instrument – die akustische Gitarre. Gerry Leonard spielt heute alles andere.«
2011 widmete sie sich besonders ihrem Stück »Carson McCullers Talks About Love«, einer fiktiven Autobiografie mit eigens komponierten Songs über die Schriftstellerin Carson McCullers. Das Stück wurde im April 2011 in New York mit Vega in der Hauptrolle uraufgeführt. »Es war toll, für eine Weile jemand anderes zu sein! Schauspielerei ist eine Herausforderung – und doch etwas, das ich genieße! Ich liebe Make-up und Kostüme.«
Liebe zur Musik
Hätte sie sich vorstellen können, dauerhaft als Schauspielerin zu arbeiten? »Nicht wirklich. Dafür liebe ich die Musik zu sehr.« Wie groß ist die Sehnsucht nach einem neuen »Tom’s Diner« oder einem neuen »Luka«? »Du meinst einen neuen Hit?«, fragt Vega im Interview. »Beide Songs waren mehr oder weniger Überraschungen. Ich bin bereit, mich wieder überraschen zu lassen, aber ich rechne nicht damit.« Ihr Werk ist auch nach Jahrzehnten unverwechselbar und regt zum Nachdenken an. Das freut Vega. »Ich gebe immer mein Bestes«, sagt sie – und lächelt zufrieden. (GEA)
Album: »Flying with Angels« (Cooking Vinyl)
Live: 4. Oktober Isarphilharmonie München