REUTLINGEN. Es gibt Leute, mit denen ist ein Genre so fest verbunden, dass man sich das eine ohne das andere kaum vorstellen kann. Die Egerländer Musikanten ohne Ernst Hutter? Kaum denkbar. Und doch wird man sich daran gewöhnen müssen. Eine letzte Tour, die am 27. April auch nach Reutlingen führt (das Konzert ist ausverkauft), dann gibt der Meister der böhmisch-mährischen Blasmusik den Stab weiter. An Alexander Wurz, 39, der seit 15 Jahren bei den Egerländern das Tenorhorn bläst – das Lieblingsinstrument seines Vorgängers wie auch des Orchestergründers Ernst Mosch.
Auf seiner Abschiedstournee will Hutter »nur meine Lieblingsstücke« präsentieren. Stücke wie die »Sehnsuchtspolka«. Nicht dass Hutter Sehnsucht nach dem Ruhestand hätte. Der scheidende Egerländer-Chef wirkt im GEA-Gespräch so energisch wie eh und je. Seine Abschiedstour will er nicht als Schluss-, sondern als Höhepunkt verstanden wissen. Mit ihm selbst, Edi Graf als Moderator und Rückblicken auf seine 25 Jahre mit dem Ensemble. Und mit Neukompositionen: Sein Sohn Stephan, bei den Egerländern Schlagzeuger, hat dafür das Stück »Zwei Weggefährten« geschrieben, gemünzt auf Hutter und Nachfolger Wurz. Auch Wurz steuert ein speziell dafür komponiertes Stück bei.
»Es ist nicht die Gesundheit, es ist eine Entscheidung zugunsten der jungen Generation«
Kein Ruhebedürfnis also, das stellt Hutter beim Besuch in der GEA-Redaktion klar: »Es ist nicht das Alter und es ist nicht die Gesundheit. Das ist eine professionelle Entscheidung zugunsten der jungen Generation.« Hutter will den Generationswechsel gestalten, nicht passieren lassen wie sein Vorgänger. An die Situation 1999, als Ernst Mosch starb und nichts für das Orchester geregelt war, denkt Hutter mit Grausen. Mosch war bei seiner letzten Tour schwer krank; nach seinem Tod klaffte ein Loch: »Wir waren ohne Chef, wir mussten schnell handeln.«
Man habe sich mit Moschs Familie zusammengesetzt, eine dreijährige Probezeit vereinbart. Zeitweise habe den Egerländern die Pleite gedroht. »Damals habe ich mir geschworen, ich mache das mal nicht so.« Hutter, seit 1985 Tenorhornist bei den Egerländern, übernahm die Leitung erst zusammen mit seinem Orchesterkollegen Toni Scholl. Als dieser 2003 zum Landespolizeiorchester ging, wurde Hutter alleiniger Chef. Und machte die Egerländer wieder zum Zentralgestirn der Blasmusik: 2006 führte er das Ensemble zum zweiten Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall – was Mosch 1966 gelungen war.
»Damals habe ich mir geschworen, ich mache das einmal nicht so«
Während der Coronazeit habe er viel Zeit zum Nachdenken gehabt, erzählt Hutter. Da sei ihm klargeworden, dass er die Sachen geordnet haben will. Mit seinen drei Söhnen betreibt er die Firma Hutter Music. Die produziert nicht nur die Egerländer-Shows, sondern ist auch Plattenlabel und Musikverlag. Hier bleibt Hutter Seniorchef.
Sein Nachfolger Alexander Wurz aus dem badischen Hügelsheim bei Rastatt hat im Luftwaffenmusikkorps Karlsruhe sein Handwerk gelernt und seither etliche Orchester geleitet. »Er ist einer der profiliertesten Tenorhornisten seiner Generation, so wie ich in meiner«, sagt Hutter. Den Stab will ihm Hutter am 7. November 2025 übergeben, dem 100. Geburtstag Moschs. Bald darauf starten die Egerländer ihre Tour zum 70-jährigen Bestehen des Ensembles. Gegründet hatte Mosch das Ensemble 1956, nachdem er im Jahr zuvor als Vizeleiter des Südfunk-Tanzorchesters beim Bundespresseball mit einigen böhmischstämmigen Kollegen eine Blasmusikeinlage geboten hatte.
Hutter und Wurz verbindet, dass sie wie Mosch auch selbst komponieren. Beide setzen wie Mosch auf einen Sound, der die böhmisch-mährische Blasmusik mit ihren Märschen, Walzern und Polkas auf ein sinfonisches Niveau hebt. Hutter liebt zudem den Jazz, spielte lange in der SWR Big Band, hat ein eigenes Jazzquartett. Big-Band-Anklänge kennen auch die Egerländer.
Konzertinfo
Ernst Hutter kommt auf seiner Abschiedstournee mit den Egerländer Musikanten am 27. April 2025 in die Stadthalle Reutlingen. Die Vorstellung ist bereits ausverkauft. (GEA)
www.die-egerlaender.de
»Man muss die jungen Leute in die Verantwortung nehmen, damit sie sich entwickeln können«, betont Hutter. Die Blasmusik sieht er in einer blendenden Situation. Neben Musikschulen seien Blaskapellen die wichtigsten Talentschmieden für den Musiknachwuchs. Im Gegensatz zu früher sei zudem eine enorme Vielfalt professioneller Bläserensembles aktiv, von den Musik-Komikern Mnozil Brass über klassische Ensembles wie German Brass bis hin zu sehr erfolgreichen Hiphop-Brass-Bands.
»Man muss die jungen Leute in die Verantwortung nehmen, damit sie sich entwickeln können«
Festivals wie das »Woodstock der Blasmusik« in Linz erlebten einen Boom. Mit seinen Egerländern betreibt Hutter seit drei Jahren ein eigenes Bläserfestival in Köln, das »Original Egerländer Festival«. Dort präsentierten sich die professionellen Ensembles vielen Fans, auch aus Holland, Belgien und Norddeutschland. In der globalisierten Welt sei die Sehnsucht nach Verwurzelung groß, konstatiert Hutter. Blasmusik vermittle heimatliche Identität. Dass er den Stab weitergebe, sei ein Zeichen an die Szene, »dass wir den Aufbruch in die Zukunft angehen«. (GEA)