STUTTGART. Es ist wohl Zufall, dass der weltweite Erscheinungstag des neuen Asterix-Bandes auf denselben Tag wie der Auftakt der Uriah-Heep-Tournee auf dem Kontinent gefallen ist. Alben einerseits und Karten andererseits waren schnell verkauft, was für die ungebrochene Beliebtheit der beiden Klassiker spricht. Hier 400 Millionen gedruckte Hefte, dort 40 Millionen gepresste Schallplatten.
Als »Asterix bei den Briten« herauskam, verzückten fünf junge Progressivrocker von der Insel die Musikwelt mit ihrer Debütsingle »Gypsy«. Das bombastische Heavy-Metal-Juwel markierte den Beginn der 55-jährigen Bandgeschichte. Die englische Formation ist einer der letzten großen Rock-Dinos – und vom Aussterben bedroht: »Keiner von uns wird jünger, deshalb haben wir beschlossen, keine kraftraubenden Tourneen mehr zu machen«, so Gründungsmitglied Mick Box (78) vor dem Auftritt am Mittwoch in der ausverkauften Stuttgarter Liederhalle. Hinzu kämen die logistischen Probleme wegen des Brexits. »Früher konnten wir uns zeitlich frei durch Europa bewegen, aber jetzt müssen wir für jedes Land spezielle Zollpapiere haben.«
Doch die klangprägende Konstante Mick Box, Sänger Bernie Shaw (69), mit dem kraftvollen, opernaffinen Timbre, und Orgel-Architekt Phil Lanzon (75) - beide kamen 1986 zur Gruppe - machen auch Hoffnung: »Wir werden noch vereinzelt auf Festivals spielen und, solange es geht, ins Studio gehen.« Das klingt verheißungsvoll für die weitere Heep-Story, die durchsetzt ist von Drogen, Tragödien und zwei Dutzend verschlissenen Bandmitgliedern. Mit dem Bassisten Davey Rimmer (57) und Schlagzeuger Russel Gilbrook (61) sind zwei »jüngere« Musiker vertreten. Bezeichnenderweise heißt die Abschiedsreise »The Magician’s Farwell« - in Anlehnung an den experimentellen Titelsong ihres wichtigen 72er-Albums. Auch der steht – vom sonnenbebrillten Box in einem mehrminütigen Gitarrensoli, mit Standing Ovations gefeiert - auf der 13 Songs aus acht (von 26) Alben umfassenden Setliste.
Wegbereiter des Abends war nach den Schottenrockern Heavy Pettin die 1969 gegründete kanadische Insider-Rockband April Wine, die in Nordamerika elfmal Platin-Status erlangte.
In anderthalb Stunden gibt es eine energiegeladene Geschichtsstunde des Hardrocks – live und laut. Von den orgelgetränkten, schwermütigen Epen der Frühjahre bis zu den hymnischen Songs der letzten Dekade. Die Chor-Parts passen, die Orgel flirrt und röchelt. Die Lichtshow bringt Farbe in die grauen Mähnen. Heep beweisen aufs Neue, dass sie zu Recht als Wegbereiter zwischen Hardrock, frühem Heavy Metal und Progressive Rock gelten. Ihr Mix aus wuchtigem Gitarrenspiel, epischen Harmonien und vor allem die Fantasy-Themen prägten zahllose Bands.
Sie zelebrierten alle Hits aus ihrer erfolgreichsten Zeit, als sie mit Led Zeppelin, Black Sabbath und Deep Purple die großen vier bildeten: Die glorreichen, barocken Stücke wie »The Wizard« und »Easy Livin‘«; »Stealin‘«, »Sweet Lorraine«, das proggige Mini-Epos »July Morning« – als Zugabe der Live-Klassiker »Sunrise« und der Lagerfeuer-Gitarren-Überhit »Lady in Black«. Höhenflüge der beiden denkmalgeschützten Frontmänner, die dem Geist der goldenen Frühphase in nichts nachstehen. Auch das verbindet Uriah Heep mit Asterix. Beides ist zeitlose, große Kunst. Auch wenn nicht mehr alle Gründungsväter unter uns weilen, versorgen die Nachfolger mit bewundernswerter Konstanz die Fans mit neuen künstlerischen Einfällen auf hohem Niveau. Bereits nach wenigen Takten vermittelt der brachiale Auftaktsong »Grazed by Heaven« aus dem 2018er-Album »Living the Dream« das Gefühl des Zuhauseseins. Mit den unverwechselbaren voluminösen Riffs, veredelt durch warme Orgelklänge. Darauf folgen die Auskopplungen aus der jüngsten LP »Chaos und Colour« - Platz vier in den deutschen Charts 2023 - »Save me tonight« und »Hurricane«. Nach »Shadows of Grief« (1971) kommt abrupte Bewegung in die - trotz verwaschener Jeansjacken - in Würde mitgealterten Fans: Aus Sitz- werden Stehplätze.
Heep inszenieren sich nicht als Retroband, sondern als Konstante des Classic-Rocks auf der Höhe ihres späten Schaffens. Ein begeisternder Abend zwischen Kult und Aktualität. Ein lautes Vermächtnis einer Band, die den britischen Hardrock groß gemacht hat. (GEA)




