STUTTGART. »Wärst du lieber Mona Lisa oder Pop-Art?«, fragt Rin in seiner Single »Bietigheimication«. Vor einer Woche erschien sein neues Album »Nimmerland«, mit dem er, wie er in einem seiner seltenen Interviews sagte, etwas »Zeitloses« erschaffen wollte. Kein Hype, sondern Kunst, die überdauert, das ist wohl die Herausforderung, wenn das erste Album so durch die Decke geht, wie es 2017 bei Rin der Fall war. »Eros« ist ein moderner Deutsch-Rap-Klassiker geworden, das Album ist auf Vinyl längst vergriffen und im Internet für unter 150 Euro nicht mehr zu bekommen.
Rin folgt beim Plattenverkauf der Strategie der Klamotten-Marken Supreme und Palace, die er in seinen alten Songs besungen hat: Limitierte Auflage, einmalig, danach gibt es das Album nie mehr zu kaufen. So schafft er etwas, das im Zeitalter des Streamings eigentlich tot ist: Musikausverkauf in physischer Form. Rin hat treue Fans. Wie »Eros« ist auch »Nimmerland« mittlerweile physisch komplett ausverkauft.
Glitzer und Romantik
Für die »Nimmerland«-Tour gibt es noch Tickets. Tourauftakt war am Freitag in der Stuttgarter Schleyerhalle. Das ist kein Zufall, Renato Simunovic, wie Rin bürgerlich heißt, kommt aus Bietigheim-Bissingen und wird nicht müde, das immer zu betonen.
In der Halle ist die Dichte der Bauchtaschen- und Pufferjackenträger so hoch wie an dem Release-Tag eines von Kanye West designten Sneakers. Die Kids lieben den Bietigheimer, weil er nicht nur Amerika-Klischees kopiert, sondern musikalisch wie modisch seinen eigenen Stil definiert hat. Rin hat Mode in den Deutschrap gebracht, er rappt über Dior, Tom Ford und Helmut Lang. Seine Haare schimmern rot gefärbt von der Bühne, er tut auch äußerlich viel dafür, eine Ikone zu werden.
»Nimmerland« ist erwachsener als sein Vorgänger, weil Rin mittlerweile ein Star ist. Er rappt nicht mehr über das S-Bahnfahren ohne Ticket, sondern über seine Rolex, L. A. und den Glitzer von Fabergé-Eiern. Aber auf »Nimmerland« gibt es auch Romantik. Rin hat sich für den Song »Keine Liebe« den Refrain von »Du trägst keine Liebe in dir« der 2000er-Band Echt geliehen. Das unterscheidet Rin von Rapkollegen wie Capital Bra: Er holt sich seine Referenzen aus der kompletten Popkultur, ist großer Nirvana- und Frank-Ocean-Fan, liebt Rio Reiser und hat zusammen mit Carhartt und Nike Klamotten designt. Rins Kumpel Bausa singt die Zeilen der Band Echt auf dem Album, und da er auch aus Bietingheim-Bissingen kommt, singt er sie auch auf der Bühne der Schleyerhalle.
Die Show ist komplett ausproduziert, die Beats ballern vom Band durch die Boxen, das Autotune sitzt perfekt, Rins Stimme klingt so gut wie noch nie. Es wird gemosht, mehr als auf einem Metal-Konzert, und schon nach drei Liedern trägt die Hälfte in der Halle kein T-Shirt mehr. Rin steht mit seinem DJ Minthendo allein auf der Bühne und bringt trotzdem die Energie einer ganzen Big-Band. Er sagt, wie sehr er seine Heimat liebt, und setzt sich zwischen den Liedern auf den Boden und genießt. (GEA)