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Aktuell Barockmusik

Eindrücklich gewobenes Klanggemälde

Nikolai Ott gestaltet mit dem Thomas-Selle-Ensemble und Solisten ein faszinierend opernhaftes Oratorium.

Das von Nikolai Ott geleitete Thomas-Selle-Ensemble und die Sopranistinnen Alexandra Nestel und Julia Hinger in der Kirche St. M
Das von Nikolai Ott geleitete Thomas-Selle-Ensemble und die Sopranistinnen Alexandra Nestel und Julia Hinger in der Kirche St. Martinus in Großengstingen. FOTO: KADEN
Das von Nikolai Ott geleitete Thomas-Selle-Ensemble und die Sopranistinnen Alexandra Nestel und Julia Hinger in der Kirche St. Martinus in Großengstingen. FOTO: KADEN

GROSSENGSTINGEN. In seiner Londoner Zeit beschäftigte sich Georg Friedrich Händel intensiv mit der Gattung des Oratoriums und geriet dabei immer mehr ins opernhafte Geschichtenerzählen. Genau diesen neuen Weg schlug Händel mit seinem Oratorium »Israel in Egypt« ein. Im Unterschied zu allen anderen Händel-Oratorien steht hier nicht eine einzige Person, sondern ein ganzes Volk im Mittelpunkt der Handlung. Der Chor als kollektives Organ spielt eine zentrale Rolle. Dem trägt der Komponist mit einer Doppelchor-Besetzung und mit groß besetztem Orchester Rechnung.

All diese Vorgaben beherzigt der Leiter des Ensembles in beeindruckender Weise. Bereits beim Beginn wird die Doppelchörigkeit transparent, das Stöhnen der Kinder Israels erlebbar, der Dialog zwischen Chor und Solisten (Helma Hinger, Alt und Philipp Nicklaus, Tenor) als temperamentvolle Anklage empfunden. Immer wieder bieten die Generalbassspieler ein tragendes, sicheres Fundament für die Erzählungen der Solisten.

Diese Erzählungen sind so intensiv gestaltet, dass das Publikum sich nicht entziehen kann, die entsetzlichen Plagen mitzuerleben, die alles verschlingende Dunkelheit, die harte Tötung der Erstgeburten. Der Chor treibt die Handlung fort: »Nicht einer der Feinde blieb übrig.« Der Männerchor erzählt, geschlossen in den Stimmgruppen, prononciert. Im dritten Teil freut sich das israelische Volk über die Rettung: »Ich singe dem Herrn, denn er hat ruhmreich gesiegt.« Hier kommen die Sopranistinnen Julia Hinger und Alexandra Nestel ins Spiel. »Der Herr ist meine Stärke und mein Lied«, perfekt im Dialog zum Chor, fein in der gemeinsamen Stimmführung.

Lohnend, aber selten aufgeführt

Man könnte zusammenfassend das Konzert in Einzelheiten zerpflücken und würde auf keine Kritik stoßen. Was dieses Konzert jedoch vielmehr zum Erlebnis machte, waren die Kompetenz des Leiters, Nikolai Ott, die Begeisterung von Chor und Orchester und letztendlich die selten gehörte und noch seltener aufgeführte Komposition Georg Friedrich Händels.

Der Beifall war überwältigend, und viele aus der Zuhörerschaft erzählten, dass sie am nächsten Tag dasselbe Konzert in Mössingen noch einmal hören wollten. (GEA)