TÜBINGEN. Mit einer Lesung unfertiger Theatertexte startet das Tübinger Zimmertheater in die neue Spielzeit. »Bruch/Stücke« nennt sich das Format, in dem Autorinnen und Autoren am 11. Oktober im Theater-Gewölbe in der Bursagasse Einblick in ihre Schreibkammer geben. Namentlich sind das Fabienne Dür, Katharina Kern, Annika Henrich, Thomas Perle und Peer Mia Ripberger. Erlebbar werden soll in dieser Veranstaltung im Rahmen des Literatursommers 2024, »woraus sich neue Theatertexte speisen und welche Formexperimente junge Theaterautor*innen wagen«, kündigte das Leitungsteam des Theaters bei der Vorstellung des neuen Spielplans an.
Die erste Premiere - eine Uraufführung, wie man das gewohnt ist vom Institut für theatrale Zukunftsforschung (ITZ) im Tübinger Zimmertheater - gibt es dann tags darauf in der Spielstätte Löwen. »Im Office« heißt das Stück, das Elisabeth Pape geschrieben hat und das Isabella Sedlak inszeniert. Mit bissigem Humor blickte Pape darin hinter die Fassade der schönen neuen Arbeitswelt. Das Stück lege schonungslos offen, »wie sehr Leistungs- und Verwertungslogiken in die Menschen übergegangen sind und dabei soziale Ungerechtigkeiten verschärfen, statt ein gutes Leben für alle zu schaffen«.
Podium zu Dramatik im Wandel
Beide Veranstaltungen und auch eine Podiumsdiskussion zu Neuer Dramatik im Wandel am 13. Oktober sind Teil der »Tübinger Tage Neuer Dramatik«, mit denen der Fokus auf eher unsichtbare Akteurinnen und Akteure im Theater gelegt werden soll: die Autorinnen und Autoren zeitgenössischer Dramatik. Auf dem Podium diskutieren im Theater-Gewölbe Fabienne Dür, aktuell Hausautorin am Zimmertheater, Leonie Lorena Wyss, Hausautorin am Nationaltheater Mannheim, Gerhild Steinbuch, Professorin für Sprachkunst in Wien und selbst Dramatikerin, und Bernd Isele, Festivalleiter der »Autor*innentheatertage« am Deutschen Theater in Berlin. Die Moderation übernimmt Elisabeth Maier vom Fachmagazin »Theater der Zeit«.
Auch Zimmertheater-Intendant Peer Mia Ripberger bringt als Autor und Regisseur ein neues Stück heraus: »Kalter Hund oder: Dackel, die ins Gras beißen« (Premiere: 7. Dezember). Es geht um eine Wohngemeinschaft mit seltsamen Ritualen. Laut der Dramaturgin und stellvertretenden Intendantin Corinna Huber wird es »skurril, witzig und rätselhaft«. Das Stück sei »irgendwo zwischen Krimi und Groteske« angesiedelt.
Geschwisterliche Bande
Peer Mia Ripberger schreibt zudem ein Stück, das am 22. März uraufgeführt werden soll. Titel und Inhalt stehen noch nicht fest. Dafür aber diejenigen eines Stücks, das Zimmertheater-Hausregisseurin Magdalena Schönfeld inszeniert: »Muttertier« - Premiere ist am 1. Februar - erzählt melancholisch und poetisch von Kindheit und geschwisterlichen Banden. Geschrieben hat es Leonie Lorena Wyss, die im Oktober bereits auf dem Podium dabei sein wird. Sarah Charlotte Becker, als Dramaturgin neu am ITZ, nennt den Theatertext »eine vielstimmige Auseinandersetzung mit den Idealvorstellungen von Mutterschaft und der Bewältigung psychischer Erkrankungen in der Familie«.
Man verstetige die Zusammenarbeit mit aufstrebenden Theaterautorinnen und -autoren, sagt Corinna Huber. »Wir setzen da vor allem auf eine nachhaltige Autor*innen-Förderung, die nicht nur meint, immer wieder mit den Autor*innen zusammenzuarbeiten, sondern auch Stücke der Neuen Dramatik nachzuspielen, also zu Zweit- und Folgeaufführungen zu bringen.« Das trifft beispielsweise auf Leonie Lorena Wyss' Text »Muttertier« zu.
Stück über Einsamkeit
Was die Spielzeit 2024/2025 sonst noch bietet? Die Uraufführung von Fabian Hartjes »Solo für Goldfisch« (Premiere: 5. April) beispielsweise. Die Geschichte eines Menschen, der - aus der Mitte der Gesellschaft heraus - vereinsamt, während sein Goldfisch mit Namen Niklas im Aquarium seine Runden dreht. Regie führt hier ebenfalls Magdalena Schönfeld.
Und das Zimmertheater spielt »No shame in hope (eine Jogginghose ist auch kein Schicksal)«, ein Stück von Svealena Kutschke, das mit skurrilem Sprachwitz die Absurditäten des Alltags verhandelt (Premiere: 24. Mai). Ausgangspunkt sind drei Frauen, die ihre Zeit in der psychiatrischen Klinik hinter sich gelassen haben. Nun warten sie auf den Bus, der sie in ein neues Leben bringen soll. Auch hier handelt es sich um keine Ur-, sondern eine Folgeaufführung.
Die Premieren
Folgende Premieren gibt es am Tübinger Zimmertheater in der Spielzeit 2024/2025: »Im Office« von Elisabeth Pape (12. Oktober, Löwen); »Kalter Hund« von Peer Mia Ripberger (7. Dezember, Gewölbe); »Muttertier« von Leonie Lorena Wyss (1. Februar, Löwen); neues Stück - noch ohne Titel - von Peer Mia Ripberger (22. März, Gewölbe); »Solo für Goldfisch« von Fabian Hartje (5. April, Zimmer); »No shame in hope (eine Jogginghose ist auch kein Schicksal)« von Svealena Kutschke (24. Mai, Löwen). (GEA)
Neu am Zimmertheater ist, dass das Diskursformat »sITZung« zu »Zwischen den Zeilen – Neue Dramatik auf Probe« wird. Zweimal im Monat präsentieren Ensemblemitglieder Theatertexte, die gerade am ITZ entstehen. Wechselnde Gäste aus Wissenschaft und Forschung sollen mit einem inhaltlichen Input die Themen der Stücke bereichern und so zum Weiterdenken der Texte anregen.
Und auch das Ensemble ist in Teilen neu. Den gebürtigen Berner Cyril Hilfiker kennt das Publikum schon aus der Fortsetzungsgeschichte der vergangenen Spielzeit »Im Taumel des Zorns«. Jel Woschni aus Bielefeld, sowohl schauspielerisch als auch musikalisch tätig, war als Gast schon in »Mehr Mensch als Meermensch« zu erleben, einer Zimmertheater-Produktion, die am 18. Oktober wieder aufgenommen wird. Nun ist Woschni festes Ensemblemitglied. Genau wie die gebürtige Magdeburgerin Johanna Engel, die über langjährige Improvisationstheater-Erfahrungen verfügt, und der gebürtige Mannheimer Julian Lehr, der beispielsweise am Schauspiel Stuttgart in »Jugend ohne Gott« zu sehen war. (GEA)

