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Ein Künstler, der nie stehen bleibt: Karl Striebel in der Reutlinger Pupille

Die Produzentengalerie Pupille in Reutlingen zeigt eine Retrospektive mit 53 Arbeiten von Karl Striebel. Sein Weg zur Kunst war ungewöhnlich.

Leuchtende Farben verwendete Karl Striebel in seinem Quadriptychon, das die Wintermonate darstellt.
Leuchtende Farben verwendete Karl Striebel in seinem Quadriptychon, das die Wintermonate darstellt. Foto: Gabriele Böhm
Leuchtende Farben verwendete Karl Striebel in seinem Quadriptychon, das die Wintermonate darstellt.
Foto: Gabriele Böhm

REUTLINGEN. Die Alb hat ihn nie losgelassen. Vor fast genau 70 Jahren ist Karl Striebel in Münsingen geboren und hat die heimatliche Landschaft tief in sich aufgenommen. Erst relativ spät, ab 1985, begann der Finanzbeamte, Oberamtsrat in Kirchheim und »Vollblut-Personalratsvorsitzende« in Reutlingen, die Landschaft auch zu malen. Einen Überblick über seine Werke der vergangenen Jahrzehnte gibt die Ausstellung »etwas bleibt« in der Produzentengalerie Pupille. Am Freitag fand unter großem Publikumsinteresse die Vernissage statt. Das Duo Walkers in Palace sorgte mit Keyboard und Saxofon für den passenden musikalischen Rahmen.

Ausstellung

Die Ausstellung »etwas bleibt« mit Bildern von Karl Striebel ist bis 10. November in der Produzentengalerie Pupille, Peter-Rosegger-Straße 97 in Reutlingen, zu sehen. Die Finissage am 10. November beginnt um 14 Uhr, ab 16 Uhr singt die A-cappella-Gruppe Rasselbande. Geöffnet ist die Ausstellung Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. (GEA)
www.pupille-galerie.com

Unwillkürlich ließ man während der fröhlich-jazzigen oder auch meditativ-ruhigen Musik die Blicke über die Acrylbilder schweifen, von denen insgesamt 53 ausgestellt sind: von kleinen quadratischen Arbeiten bis hin zu »Im Wechsel der Zeit« von 2023/24, das auf neun Einzeltafeln und in einer Länge von insgesamt 6,70 Metern eine südliche Landschaft von Frühjahr bis Spätherbst zeigt. Als Großformat entstand 2022 auch das Quadriptychon aus vier Darstellungen der Wintermonate.

Orange, Grüngelb, Himmelblau

Ein leuchtendes Grüngelb, ein klares Himmelsblau, Streifen von Rot und Orange – Striebel schwelgt in Farben. Seine Landschaften sind keine Abbilder, sondern im Kopf verarbeitete Impressionen, die auf der Leinwand ein fröhliches Leben führen – allem »Unzeitgemäßen« zum Trotz. In seiner Einführungsrede sprach Helm Zirkelbach von einem regelrechten »Mut«, in der heutigen Zeit nur Landschaften zu malen.

Eine Zeitlang beschäftigte sich Striebel auch mit Gebirgslandschaften und wandte dabei eine felsenkalte Farbigkeit an. Vor Kurzem ist auch, ausgelöst durch die Diskussion der Umweltzerstörung durch den Menschen, der Aspekt der »gestörten Landschaft« hinzugekommen: In einem leuchtend farbigen Gemälde durchbricht ein seltsames schwarzes Flugobjekt das Idyll.

Als Kochlehrling abgelehnt

Titel wie »karge Landschaft«, »erwachende Natur« oder »letzte Sonne« künden davon, mit welcher Intensität Striebel Landschaften wahrnimmt. Dabei wollte der Münsinger, der mit 13 Jahren begann, seiner Mutter in ihrer Gastwirtschaft »Lichtenstein« am Alten Lager zu helfen und dabei höchst kreative und begehrte Eisbecher entwarf, zunächst zur Hotelfachschule. Doch für die nötige Kochausbildung lehnte man den Abiturienten als »zu selbstständig« ab.

Als 1988 die Gaststätte verkauft wurde, habe er plötzlich »mehr Zeit« gehabt, die er in Musik - er war Vorstand des Akkordeon-Orchesters Münsinger Alb - und in die Malerei investierte. »Das Künstlerische war sicher irgendwie immer da, aber erst dann konnte ich mich darauf konzentrieren«, sagt Striebel.

Ente mit Tiefgang

Auf der Einladung zu seiner Ausstellung bildete er vier Werke mit einer besonderen Bedeutung ab, darunter »Ente mit Tiefgang« von 1994, entstanden in einem Workshop und von der Dozentin mit dem Prädikat »perfektes Beispiel künstlerischer Inkompetenz« bedacht. Doch die Auseinandersetzung mit Kritik, so Striebel, sei wichtig und führe zu Weiterentwicklung. »Karl Striebel hört nicht auf, sich selbst zu hinterfragen. Gerade das bringt Kraft und Kreativität hervor«, so Helm Zirkelbach. Mit seiner Art habe er sich »eine große und treue Schülerschar aus unzähligen Kursen« erworben.

Durch die Jahre künstlerischen Schaffens ziehen sich Hinwendung und auch wieder Abkehr vom Gegenständlichen. »Heute verbinden sich Gegenständliches und Abstraktes – sehr spannend«, sagte Zirkelbach. Den Tag, der einem Künstler die Illusion beschere, angekommen zu sein und der ihn zum »Nachahmer seiner eigenen Kunst« mache, werde es bei Striebel sicher nie geben. Zirkelbach dankte seinem Künstlerkollegen auch für sein Engagement um die »Pupille« selbst, deren Vorstand er lange Jahre war. (GEA)