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Ein großer Erzähler des Jazz: Charles Lloyd auf der Tübinger Sudhaus-Waldbühne

Charles Lloyd und das Sky Quartet verzaubern rund 650 Besucher im Sudhaus-Waldbiergarten bei ihrem einzigen Deutschland-Konzert.

Tenorsaxofonist Charles Lloyd zog das Publikum hinüber in seine Jazzwelt.
Tenorsaxofonist Charles Lloyd zog das Publikum hinüber in seine Jazzwelt. Foto: Jürgen Spieß
Tenorsaxofonist Charles Lloyd zog das Publikum hinüber in seine Jazzwelt.
Foto: Jürgen Spieß

TÜBINGEN. Charles Lloyd, der 86-jährige, Saxofon spielende Romantiker, will schon lange nicht mehr die Welt retten. Was er aber noch immer wunderbar dagegenhalten kann, ist seine Musik. Eine, die Trost vermittelt und Kraft und Schönheit.

Mit seinen drei Begleitern Jason Moran (Piano), Larry Grenadier (Bass) und Eric Harland (Schlagzeug) arbeitete er sich am Freitagabend im mit 650 Besuchern gut gefüllten Sudhaus-Waldbiergarten mit einem spitzbübischen Lächeln an der Geschichte des Jazz ab. Lloyd tat dies mit der Souveränität eines Altmeisters, mal zupackend, mal in ungemein swingender Manier, über die sich die warmen, fast lyrischen Melodien wie ein schützender Teppich legten. Dann wieder wies er seinen drei Mitspielern den Weg durch teilweise vertrackte Rhythmusmuster, die in hochelegante Jazzlinien mündeten.

In »Hall of Fame« aufgenommen

Charles Lloyd zählt neben Wayne Shorter und Sonny Rollins zu den größten Saxofonisten unserer Zeit und wurde darüber hinaus vom weltweit bekanntesten Jazzmagazin »Downbeat« in seiner aktuellen August-Ausgabe in die »Hall of Fame« aufgenommen. Umso erstaunlicher, dass es dem Verein »Jazz im Prinz Karl« gelungen ist, diese lebende US-Legende für sein einziges Deutschland-Konzert nach Tübingen zu lotsen. Tatsächlich geriet der Auftritt zu einem unvergesslichen Erlebnis. Der 86-jährige Tenorsaxofonist mit dem verbeulten Anglerhut und der runden Nickelbrille zog gemeinsam mit seinem Sky Quartet anderthalb Stunden und eine Zugabe lang alle Register seines Könnens und verzauberte das Publikum vor allem durch seine melodiös gehaltenen Parts.

Gleich zu Beginn des Konzerts streuten die vier Musiker in Titeln wie »Dream Weaver« oder »Beyond Darkness« klangreiche Töne und fast avantgardistische Melodielinien aus. Charles Lloyd wand sich mit seinem warm und variabel klingenden Tenorsaxofon drumherum, markierte Ecken, zog Linien und federte leicht dahin. Eric Harland an den Drums und Larry Grenadier am Kontrabass besetzten Zwischenräume, ohne etwas zuzudecken oder aus dem Blick zu verlieren, während Jason Moran am Klavier eher den Swing und flinkfingrige Konzentration in die Musik einfließen ließ. Wenn der Altmeister seine Ruhepausen einlegte, war es meist Moran, der mit seinem intensiven Gefühl für Harmonien und Klangfarben das Publikum verzauberte.

Nur das, was die Töne wollen

Dann wieder zog Charles Lloyd, der große, alte, weise Mann, das Publikum hinüber in seine Welt, die ein anderes Tempo hat, einen anderen Klang, eine andere Farbe. In der kein Druck herrscht, sondern nur das, was die Töne wollen. Und er, Charles Lloyd, sein virtuoser Pianist Jason Moran, Kontrabassist Larry Grenadier und Schlagzeuger Eric Harland sind die Vermittler dieser Töne. Diese Töne stehen für sich. Sie sind offen und zeitweise berührend. Sie laden uns ein, angesichts des fortgeschrittenen Alters von Charles Lloyd wohl ein letztes Mal live an ihnen teilzuhaben. (GEA)