Ihr Programm sei ja auch ihre Vorbereitung auf das Jubiläum »50 Jahre Pubertät«, flachste Kroymann drauflos und stellte gleich die zweite Hauptperson des Abends vor, Dusty Springfield, deren Musik sie damals begleitet hatte und von der etwa die Hälfte der Songs an diesem Abend stammte. »Sie war die ältere Schwester, die ich nicht hatte« und habe manche Selbsthilfegruppe ersetzt.
Schnell begreift das Publikum, sofern es nicht sowieso dieselbe Erfahrung gemacht hat: Pubertät in den 60ern, im damals nicht besonders liberalen Tübingen, war kein Spaß. Nicht nur wegen Ratgeberbüchern, die Mädchen täglich 100 Bürstenstriche empfahlen, und Schlagern, die ein heute gruseliges Frauenbild feierten. Kroymann wurde als Jüngste in einem Akademiker-Haushalt mit vier Brüdern groß – selbst dort sei es normal gewesen, Vergewaltigungs-Witze am Mittagstisch zu erzählen.
Intimes und Pointiertes
Selbstverständlich ist auch diese Oldtimer-Revue typisch Kroymann – also sind feministische Töne ebenso normal wie Scherze über Lesben. Bei all dem Vergnüglichen, Intimen und Pointierten, was Maren Kroymann dazwischen packte, hätte die Musik leicht ins Hintertreffen geraten können. Tat sie aber nicht. Auf Händen getragen von ihren vier genialen Musikern, machte Kroymann aus jedem der sorgsam ausgewählten Songs eine ausgefeilte Miniatur.Als Stimm-Chamäleon tastete sie sich an das Timbre der Original-Interpreten heran, egal ob Springfield oder Rolling Stones, The Walker Brothers, die Kinks oder Schlagersternchen. Statt einfach nur nachzusingen, würzte sie hier mit Inbrunst und dort mit Ironie nach und verzückte so das Publikum.
Mit all dem hat Kroymann gerade in der alten Heimat Tübingen ins Schwarze getroffen. Ihre Fans sind größtenteils selbst in ihren Sixties. Was sie nicht davon abhielt, sich lange vor Konzertbeginn schon um gute Plätze zu rangeln. Über den Abend wurde emsig mitgesungen, viel gelacht, und manch eine Zuhörerin raunte halblaut Zustimmendes. Die Sixties scheinen trotz allem ein gutes Alter zu sein. (GEA)