TÜBINGEN. Sie sind die junge, weltoffene Generation Israels: Neun Tänzer und Tänzerinnen des Suzanne Dellal Centres wurden im voll besetzten Tübinger Landestheater bejubelt. Mit Unterstützung des Kunstministeriums gastiert das Tanzzentrum aus Tel Aviv in sechs Theatern des Landes und zeigt aufstrebende choreografische Stimmen aus Israel. Die Intensität, die oft spürbare Verunsicherung der kurzen Werke des Abends rührt eindeutig nicht nur vom Hamas-Terror des 7. Oktobers her, seit dem sich Israel im Alarmzustand befindet, sondern sie erzählt von den tiefen Gräben zwischen Bevölkerung, Regierung, den Religionen, den Generationen.
Wichtiges Tanzland
Dafür, wie klein das Land Israel ist, bringt es jede Menge Tanz auf internationale Bühnen: Von dort kommen immer wieder wichtige, wegweisende Choreografen wie Ohad Naharin, Sharon Eyal oder Hofesh Shechter, um nur die bekanntesten Namen zu nennen. Tanz ist in Israel immer zeitgenössisch und aktuell, klassisches Ballett gibt es kaum auf der Bühne. Das Suzanne Dellal Centre gilt auch international als wichtige Plattform für Neuentdeckungen. Die künstlerische Leiterin Naomi Perlov umrahmte den Abend »1I2I3 // Solo I Duo I Trio« mit klugen, warmherzigen Worten.
Aufführungsinfo
Weitere Gastspiele des Abends »1/2/3 // Solo/Duo/Trio« mit Tänzern des Suzanne Dellal Centres sind am 16. März im Nationaltheater Mannheim und am 17. März im Theater Konstanz. (GEA)
In einem stockenden Solo aus unkoordinierten Bewegungen strandete Tamir Golan wie ein junger Vogel am Boden. Subtil ging das »einrastende« Locking aus dem Hip-Hop hier in den zeitgenössischen Tanz ein. Sein Duo »Oxytocin« zeigt den Nahkampf eines Paares: In einem viel zu engen, von der Groteske zur Dramatik findenden Clinch stellte er seine Partnerin Gil Elgrabli einfach mal hinten als kopflosen Körper auf den Boden. Das Duo von Ophir Kunesch blieb musiklos und wirkte vielleicht deshalb trotz der vielen Spiegelungen und Verschlingungen ein wenig trocken.
Kassandrahafte Mahnerin
Avshalom Latuchas Solo »Give it to me« begann mit einer kindischen Parodie, bis sich das Nachäffen zu einem Song von Tina Turner endlich in Tanz auflöste. Auch sein Trio »The three-body problem« endete in einem Popsong; vorher kreisten drei Tänzer wie sich abstoßende Teilchen in irrationalen Bahnen umeinander. Sehr apart schließlich mischte Naya Binghi Flamencotanz mit Performance, hielt uns ein Schild mit den Worten »Free Choice« entgegen und zog sich beängstigend das Shirt übers Gesicht: War sie Opfer, Terroristin, Kassandrahafte Mahnerin?
Am stärksten beeindruckte Ariel Freedman, eigentlich ausgebildete Tänzerin, die hier aber mit einer textreichen Performance durchs Auditorium schwirrte. Ihr aufgeregter englischsprachiger Monolog, ehrlich und roh, absurd wie das Leben, verwandelte immer wieder Selbstzweifel in Mut und ließ am Ende doch alle Fragen offen. Manchmal unterstrich sie ihre Sätze mit rhythmischen, nachdrücklichen Bewegungen - daraus ließe sich doch mehr machen!
Kurze Ansprachen von LTT-Intendant Thorsten Weckherlin und Kultusstaatssekretär Arne Braun bekräftigten die Unterstützung der Kunstszene für Israel. Der Tübinger Journalist Christian Gampert, Initiator des Gastspiels, moderierte im Anschluss eine Fragerunde an die Künstler. (GEA)