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Durch die Tür in eine andere Welt: Reutlinger Jean-Marc Lyet liest aus »Waldheim«-Romanen

Der Reutlinger Jean-Marc Lyet schreibt Fantasy mit queeren Hauptfiguren. Am Mittwochabend las er in der Stadtbibliothek aus seinen »Waldheim«-Romanen.

Jean-Marc Lyet bei seiner Lesung in der Reutlinger Stadtbibliothek.
Jean-Marc Lyet bei seiner Lesung in der Reutlinger Stadtbibliothek. Foto: Thomas Morawitzky
Jean-Marc Lyet bei seiner Lesung in der Reutlinger Stadtbibliothek.
Foto: Thomas Morawitzky

REUTLINGEN. Beide überschritten sie die Schwelle zu einer anderen Welt: Der Autor Jean-Marc Lyet so sehr wie Mell, die Hauptfigur seiner Romane. Für Lyet begann alles damit, dass er keine Lust darauf hatte, eine Hausarbeit zu schreiben, stattdessen begann, an einem Fantasy-Roman zu arbeiten. »Ich hatte gerade einen Band mit Kurzgeschichten gelesen«, verrät er am Mittwochabend in der Reutlinger Stadtbibliothek. »Der war so schlecht, dass ich dachte, das kann ich besser.« Seither hat Jean-Marc Lyet zwei Fantasy-Romane nicht nur geschrieben, sondern auch veröffentlicht: »Waldheim – Das fremde Universum« und »Waldheim – Zwischen den Welten« erschienen in dieser Form bereits vor drei Jahren.

Während Jean-Marc Lyet auf der Flucht vor einer Studentenpflicht in eine Parallelwelt auswanderte, erliegt Mell, sein Held, anderen Lockungen, wird gewissermaßen entführt. Lyet studierte Medien- und Kommunikationsinformatik in Reutlingen; er ist verheiratet mit einem Mann, zieht gemeinsam mit ihm Kinder groß und schreibt Romane mit homosexuellen Protagonisten. Hauptfigur Mell also flirtet eines Abends in einer Bar mit einem Mann, folgt ihm nach Hause – und stellt fest, dass sein vermeintlicher One-Night-Stand ganz andere Absichten hat: Kaum hat Mell dessen Haus betreten, findet er sich wieder in einer anderen Dimension und muss in interplanetarischer Mission nicht nur eine, sondern gleich mehrere Welten retten. Dumm nur, dass ihm die Rückkehr in die eigene schwer gemacht wird: Denn dort vergeht die Zeit viel schneller, wenige Stunden in Waldheim – so heißt die fremde Dimension – sind auf der Erde viele Jahre.

Szenen aus fantastischen Welten

Jean-Marc Lyet liest Szenen vom Beginn seines ersten Romans, aber auch Mells erste Rückkehr, die Wiederbegegnung mit seinem gealterten Partner, mit sehr emotionalen Untertönen. Später am Abend gibt er seinen Zuhörern Einblick in die fantastische Welt von Waldheim mit ihrem Bäumen von ungeheurerer Größe und fremden Lebensformen. Levin Hagmeier, auch er aus Reutlingen, spielt in den Pausen der Lesung Stücke von Bach, Bartók, Liszt auf dem Klavier, verleiht den Fantasieflügen virtuos und kraftvoll Nachdruck.

Das Publikum in der Reutlinger Stadtbibliothek ist von Jean-Marc Lyets Lesung äußerst angetan, stellt verschiedene Fragen. Und der Autor antwortet gerne. Erotisch explizite Passagen, sagt er beispielsweise, habe es im ersten seiner Romane durchaus gegeben; er strich sie auf Wunsch seines neuen Verlages, der sich auf Mainstream-Fantasy spezialisiert hat, trauert ihnen nicht wirklich nach: »Mir haben die Szenen eh nicht so hundertprozentig gefallen«, sagt er. Und als ein Leser wissen möchte, ob es bald weitere Bücher geben werde, aus Waldheim oder anderen Welten, verrät er: »Ich schreibe im Augenblick nicht, aber wenn unser Jüngster in die Schule kommt, ist mein Plan, wieder damit zu beginnen.« (GEA)