REUTLINGEN. Gewiss, Sinne Eeg hat mit alldem etwas zu tun: mit Dänemark, dem Jazz, der nordischen Melancholie. Und es wäre ein Leichtes, die Schublade aufzuziehen, in der neben pittoresken Fotos von Wikingern und Normannen und einem Buch über Trolle auch ein paar CDs von Svend Asmussen, Susi Hyldgaard oder Niels-Henning Ørsted Pedersen herumliegen.
Aber so einfach macht es sich die 47-jährige Sängerin nicht, denn ins vorgefertigte Nordlicht-Raster will sich die Dänin nicht pressen lassen. Das fängt schon damit an, dass die Sängerin und ihr Duopartner Thomas Fonnesbaek am Kontrabass bei ihrem leider viel zu mager besuchten Auftritt im Reutlinger Pappelgarten definitiv keine nordisch-sphärische Musik machen. Vielmehr erinnern ihre Eigenkompositionen und Jazzstandards an eine Musik, die einen energetischen Grundton hat, dabei schwelgerische Anklänge, Intonationen und Skalen nicht verschmäht. Eine Musik, die voller Brüche und individueller Ideen steckt und gleichzeitig eine einnehmende Lebensfreude ausstrahlt.
Ungekünsteltes Auftreten
Was auch daran liegt, dass Sinne Eeg ein charmantes, ungekünsteltes Auftreten hat und es durchaus zu ihren Stärken zählt, Kontakt zum Publikum aufzubauen. Dazu eine Stimme, die in der Intonation traumwandlerisch sicher und im Klang beruhigend schön ist. Ob sie einen brasilianischen Samba mit silbriger Billie-Holiday-Stimme singt, den kaum wiederzuerkennenden Standard »Round Midnight« verfremdet oder den Beatles-Song »The Long And Winding Road« verjazzt: Alles hat die Dänin ohne sichtbare Anstrengung drauf. Genau wie das Komponieren. Einige feine Songs wie das dunkel-melancholische »The Streets of Berlin« oder »Just One of Those Things« entstammen ihrer Feder.
Nicht zuletzt auch dank ihres kongenialen Begleiters Thomas Fonnesbaek gerät das anderthalbstündige Konzert zu einem echten Highlight: Häufig ist es der Mann am Kontrabass, der den Rahmen absteckt. Für ihn ist das Instrument nie bloß ein Rhythmusspender, nie nur ein Fundament, sondern immer auch melodischer Akteur. Er lässt es Töne anstimmen, die schön sind und zugleich subtil, reif und doch immer neugierig. Es sind die kleinen Details, die den Blick aufs Wesentliche lenken: die Art, wie er Melodisches und Sperriges miteinander verzahnt, wie er die Finger über die Saiten rasen lässt, die eben nicht nur Wohlklang suchen, sondern auch die Ränder abtasten.
Besondere Begabung
Sinne Eeg und Thomas Fonnesbaek haben zweifellos eine besondere Begabung, mit ihren Songs den Fans die Herzen zu öffnen. Und das allein mit Stimme und Bass. (GEA)