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Dominik Kuhn und Markus Raab: Sam Peckinpah zum 100. Geburtstag

Dominik Kuhn und Markus Raab diskutierten in der VHS Reutlingen über den Film »The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz«. Anlass war der 100. Geburtstag von US-Regisseur Sam Peckinpah in diesem Jahr.

Markus Raab (links) und Dominik Kuhn diskutierten mit dem Publikum über Sam Peckinpahs Westernepos "The Wild Bunch – Sie kannten
Markus Raab (links) und Dominik Kuhn diskutierten mit dem Publikum über Sam Peckinpahs Westernepos »The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz«. Foto: Christoph B. Ströhle
Markus Raab (links) und Dominik Kuhn diskutierten mit dem Publikum über Sam Peckinpahs Westernepos »The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz«.
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. »Ein absolutes Meisterwerk« - diese Zuschreibung zu Sam Peckinpahs Westernepos »The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz« (1969) durch den ehemaligen Reutlinger Kulturamtsleiter Markus Raab wollte Dominik Kuhn nicht unwidersprochen stehen lassen. Ein Werk sei immer im Kontext seiner Zeit zu bewerten, das Wort »absolut« erscheine ihm in diesem Zusammenhang daher grundsätzlich fehl am Platz, so Kuhn, den viele unter seinem Künstlernamen Dodokay kennen und der bei den Medienwissenschaftlern an der Universität Tübingen lehrt.

Bei einer Veranstaltung im Saal der Reutlinger Volkshochschule arbeiteten Raab und Kuhn, die seit vielen Jahren befreundet sind, ihre Positionen heraus und diskutierten sie mit dem Publikum. Der Abend galt dem US-Regisseur Sam Peckinpah (1925-1984), der am 21. Februar 100 Jahre alt geworden wäre. Dessen filmisches Schaffen (unter anderem "Wer Gewalt sät", Getaway", "Pat Garrett jagt Billy the Kid") steht wie zu seiner Lebzeit unverändert unter dem Generalverdacht der Gewaltverherrlichung. In "The Wild Bunch" etwa werden, wie es in der Veranstaltungsankündigung hieß, "das Töten und Massaker geradezu wie ein Ballett choreografiert".

Von Tarantino geschätzt

Es gab an dem Abend viele kurze Ausschnitte aus dem Film zu sehen, der seinerzeit Oscar-Nominierungen in den Kategorien »bestes Originaldrehbuch« und »beste Filmmusik« erhielt und den Regisseur Quentin Tarantino (»Inglourious Basterds«, »Django Unchained«) zu seiner Liste der sieben besten Filme der Kinogeschichte zählt.

Raab - er war von 1996 bis 2003 Kulturamtsleiter in Reutlingen und lebt heute im spanischen Valencia - nannte »The Wild Bunch« in puncto Meisterschaft vergleichbar mit einem Drama von William Shakespeare, wie »Macbeth« oder »Richard III.«. Die ja auch im Grunde noch Abenteuergeschichten und voller Gewalt seien. Die es aber schafften, »etwas über unser In-der-Welt-sein auszusagen«. Das tue auch »The Wild Bunch«, der ein gewisses Ethos in Szene setze, elegische und burleske Momente habe, spannend sei, eine Geschichte mit Tiefgang erzähle. »In diesem Sinne ist der Film für mich ein Meisterwerk«, so Raab.

Der Kapitalismus betritt die Weltbühne

Raab zufolge beschreibt Peckinpah auf dem Hintergrund der Abenteuergeschichte eines Western den Moment, in dem im ehemals freien wilden Westen der Kapitalismus die Weltbühne betritt, alles ändert und einen unaufhaltsamen Siegeszug beginnt. Gier und Technisierung und eine dazu passende Moral machten Schluss mit der menschlichen Freiheit. Demgegenüber stehe eine Bande von Outlaws ohne Moral zwar, aber mit Ethos, die dies erkenne und die ein letztes Mal in freier Entscheidung die Konsequenz ziehe.

Kuhn nahm vor allem die filmischen Techniken Peckinpahs unter die Lupe, lobte an so mancher Stelle, wies aber auch darauf hin, dass der Film in Teilen nicht gut gealtert sei. So habe sich Peckinpah »einen Wolf gezoomt«. Will heißen: Er setzte den Zoom, die Veränderung der Brennweite am Kameraobjektiv also, um Dinge näher herzuholen beziehungsweise einen größeren Bildausschnitt zu zeigen, teils unmotiviert und insgesamt inflationär ein. Das sei »filmbildnerisch fragwürdig«. Auch gebe es im Film Anschlussfehler. Das bedeutet, dass ein Bildelement in einem nicht-kausalen Zusammenhang zu einer vorangegangenen Einstellung steht.

Erhellender Abend

Aus Zuhörer-Sicht war der Abend sehr erhellend. Nicht zuletzt, weil Raab und Kuhn so unterschiedliche Ansätze wählten. Raabs Gedanken zum Film sollen im Herbst in Buchform in einem mexikanischen Verlag erscheinen. »The Wild Bunch« spielt im Jahr 1914 während der mexikanischen Revolution. (GEA)