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Dominik Halmer und Ria Patricia Röder im Kunstverein Reutlingen

Das Berliner Künstler-Ehepaar Dominik Halmer und Ria Patricia Röder zeigt im Kunstverein Reutlingen Bilder und Objekte. Zu erleben sind trickreiche Rätselwelten. Ob es für die eine Auflösung gibt?

Kosmisches trifft Digitales: Ria Patricia Röder und Dominik Halmer vor einem Wandobjekt Halmers im Kunstverein.
Kosmisches trifft Digitales: Ria Patricia Röder und Dominik Halmer vor einem Wandobjekt Halmers im Kunstverein. Foto: Armin Knauer
Kosmisches trifft Digitales: Ria Patricia Röder und Dominik Halmer vor einem Wandobjekt Halmers im Kunstverein.
Foto: Armin Knauer

REUTLINGEN. Es gibt richtig was zu gucken derzeit im Reutlinger Kunstverein. Riesenhafte Bildobjekte von Dominik Halmer prangen an den Wänden, merkwürdig unregelmäßig geformt. Reihen von kleineren Bildern Ria Patricia Röders hängen an grün gestrichenen Wänden, auf der einen Seite mit schwarzem Hintergrund, auf der anderen mit weißem.

Anspielungen auf Digitalkosmos

Quirlig und objektreich geht es in den Bildern zu. Auf Halmers riesigen Bildobjekten finden sich Mauszeiger und das Handsymbol vom Computerschirm. Es scheint, als sei in einem 3-D-Grafik-Programm alles durcheinander geraten. Ein havarierter digitaler Kosmos, in den sich Objekte aus dem realen Weltall verirrt haben. Andere dieser Bildobjekte Halmers sehen aus wie aufgeklappte Kisten mit Schachbrettmuster. Kisten, in denen wiederum Planeten gefangen scheinen. Obwohl vieles davon collagiert aussieht, mit gefrästen Vertiefungen und darüberliegenden Schnüren und Kabeln, ist alles gemalt. Sogar das Kreppband, mit dem vorgeblich ein Computersymbol auf dem Bild festgepappt ist. Ein Profi aus der Reutlinger Malerszene analysiert mit Kennerblick: »Da muss er gesprayt haben! Und da hat er gespachtelt!« Höchst virtuos das Ganze.

Ria Patricia Röder und Dominik Halmer vor Röders »Scannogrammen«.
Ria Patricia Röder und Dominik Halmer vor Röders »Scannogrammen«. Foto: Armin Knauer
Ria Patricia Röder und Dominik Halmer vor Röders »Scannogrammen«.
Foto: Armin Knauer

Das sind auch Ria Patricia Röders Bilder, nur auf andere Weise. Sie stellt Objekte auf einen Computerscanner und scannt sie bei offenem Deckel. Auf dem Ausdruck scheinen die Objekte im Nirgendwo zu schweben, mal im endlosen Weiß, mal im endlosen Schwarz. Mikadostäbe, eine Puppenhand, gelbes, liniertes Notizpapier, Kartoffeln, Orangen in der Plastiktüte, eine Zeitungs-Headline – alles wirkt wie Puzzlestücke zu einem Ganzen, wie Indizien zu einem Kriminalfall, geheime Hinweise in einem Escape-Spiel. Nur die Auflösung fehlt.

Zu Hause in Kreuzberg

Röder und Halmer sind ein Ehepaar und leben mit ihrem Kind in Berlin-Kreuzberg. Wo es im Moment noch angenehm szenemäßig zugeht, die Gentrifizierung jedoch die kulturelle Buntheit bedroht, wie sie erzählen. Wo bisher günstige Ateliers zu finden waren, halten teure Bürokomplexe Einzug. Auch Dominik Halmer hat Probleme, einen Raum zu finden, wo er seine raumgreifenden Bildobjekte gestalten kann.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Macht und Sinn« mit Bildern und Objekten von Dominik Halmer und Ria Patricia Röder ist im Kunstverein Reutlingen in den Wandel-Hallen, Eberhardstraße 14, bis 15. Juni zu sehen, Mittwoch bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertage 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. (GEA)
www.kunstverein-reutlingen.de

Bei der Vernissage ist ihr Nachwuchs dabei, bekommt seinen eigenen Maltisch. Musikalisch umrahmt der wunderbare George Bailey, eine Legende als Korrepetitor am Stuttgarter Ballett. Im Kunstverein singt er sich voll Charme und Bluesgefühl durch die Jazzwelt, verbindet »Summertime« mit »A Foggy Day«, verbindet »Always look on the bright side of life« von Monty Python mit »Don't worry, be happy« von Bobby McFerrin. Spielt sagenhaft lässig Klavier dazu und bringt das Publikum zum Singen. Am 29. März wird er hier seine mit Susanne Wiedmann verfasste Biografie gemeinsam mit ihr vorstellen.

Entspannter Jazz vom Könner: George Bailey, legendärer Korrepetitor des Stuttgarter Balletts, bei der Vernissage im Kunstverein.
Entspannter Jazz vom Könner: George Bailey, legendärer Korrepetitor des Stuttgarter Balletts, bei der Vernissage im Kunstverein. Foto: Armin Knauer
Entspannter Jazz vom Könner: George Bailey, legendärer Korrepetitor des Stuttgarter Balletts, bei der Vernissage im Kunstverein.
Foto: Armin Knauer

Kunstvereinsvorsitzende Aline Lukaszewitz sinniert in ihrer Begrüßung über den Ausstellungstitel »Macht und Sinn«. Kunstvereinsleiterin Julia Berghoff führt mit verschmitztem Humor tief hinein in die Bildwelten. Denen ihr zufolge gerade eigen ist, dass sie immer so tun, als gäbe es da einen roten Faden zu greifen, eine innere Logik zu fassen – die sich jedoch bei beiden konsequent entzieht. Aus Halmers raumgreifenden Bildobjekten spricht ihr zufolge die Sehnsucht, in Digitaltechnik und Wissenschaft Klarheit und Stabilität zu finden. Röders Scannogramme wirken auf sie wie »persönliche Bildgedichte«, in denen die Bildelemente in eine geheimnisvolle Beziehung zu treten scheinen.

Probe der Sinnhaftigkeit

In beiden Fällen, so betont Berghoff, entzögen sich die gestellten Rätsel der Lösung. Die in Aussicht gestellte Bedeutung lasse sich nicht fassen, die »Probe der Sinnhaftigkeit« (Berghoff) führe ins Leere. So spiegelten die Arbeiten von Halmer und Röder das »Informationschaos auf allen Kanälen«, dem wir tagtäglich ausgesetzt seien. Als Metaphern unserer Verlorenheit in einer Welt überbordender, einander widersprechender Sinnzumutungen. Bild für Bild ein verschlungenes Narrativ – mal intimes Kammerspiel, mal kosmisches Feuerwerk. Schön, großartig – und so unbegreiflich wie die Welt selbst. (GEA)