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Dodokay in der Reutlinger Stadthalle: Der Reiz des Schwäbischen

Dominik Kuhn alias Dodokay mit seinem Programm »Vom Deng her« in der Reutlinger Stadthalle

Dodokay philosophierte in der Stadthalle über das Wesen des Schwaben und seine Art, sich zu äußern.  FOTO: MORAWITZKY
Dodokay philosophierte in der Stadthalle über das Wesen des Schwaben und seine Art, sich zu äußern. Foto: Thomas Morawitzky
Dodokay philosophierte in der Stadthalle über das Wesen des Schwaben und seine Art, sich zu äußern.
Foto: Thomas Morawitzky

REUTLINGEN. Für die einen ist es der Bundestag, für die anderen, für Dodokay nämlich, ist es der SV49, mutmaßlich ein Sportverein, ein Verein zumindest, in dem sich Protagonisten mit großem Eifer über schlimme Banalitäten zanken – im breitesten Schwäbisch.

Dodokay, eigentlich Dominik Kuhn, ist Reutlingens lebhaftester Comedy-Export, ein Fachmann für Medien und Synchronisation zudem, einer, der schon vielen Helden und Schurken – nicht nur im Bundestag – die Worte im Mund verdreht und schwäbisch eingefärbt hat. Am Freitagabend steht der 52-Jährige in der Reutlinger Stadthalle auf der Bühne und braucht dort nicht mehr als die Hilfe eines Technikers, der gelegentlich, eher selten, ein Filmchen hinauf wirft, während Dodokay dem einen oder anderen ernsten Politikergesicht ein wenig arg unseriösen Blödsinn auf die Lippen legt.

Erlebnisse mit der Mundart

Vor allem aber erzählt Dodokay – von seiner Karriere auch, von seinen Erlebnissen mit der Mundart. Er redet dabei schnell und schneller in derselben, keift und giftet, erklärt das Schwäbische, offenbart tiefere Bedeutungsschichten (»Ha??«), macht es zum Dialekt einer knirschenden und knarrenden Horrorshow, lässt die schwäbischen Karikaturen in allen Winkeln auftauchen, versucht dabei aber immer auch, den Schwaben Mut zu machen, ihre Mundart zu fördern, mit komödiantischem Hintersinn.

»I ben ja selber Reutlinger«, sagt er, »und i ben ja mittlerweile zum Vorzeigeschwob gworda.« Ein Geständnis: »I fand das Schwäbische anfangs gar net so toll. Schwäbisch ischd halt nun mal auch a eigenartige Sproch.« Den Beweis wird Dodokay niemals schuldig bleiben, ebenso wie den Spott auf das vermeintlich akzentfreie Hochdeutsch, das der Stuttgarter – im Gegensatz zum Reutlinger – zu sprechen vermeint. »Wo kommst du denn her? Von der Schwäbischen Alb, oder was? Ah-Ha!«

Man erfährt, dass Dodokay, der längst gelernt hat, dass Werbung böse ist, früher einmal selbst ein Werber war – »Stellt euch mal vor, Carglass und Seitenbacher fusionieren. Dann sind wir alle am Arsch!« Dodokay demonstriert seinen Zuschauern, wie er synchronisiert, live, on stage – in diesem Fall eine Szene mit Cocktailbar und Schlafzimmerblick (ihrerseits), aus einem Film, mutmaßlich der späten 1960er-Jahre, schön bunt, mit Agenten. »Mich interessiert der Originalton relativ wenig«, erklärt Dodokay. »Ich guck mir den am Anfang vielleicht oinmal an« – dann weiß er, worum es geht, dann schlägt er zu. »Sabine, des mit uns isch aus« – weiche Musik im Hintergrund. »Ziemliche Enttäuschung!« – »Warum?« – »Woischd, jetzt wollt ich heut amol … dein’ Kärcher ausleihe!«

Cartoonesker Mundartzoo

Die schwäbische Rhetorik und ihre tiefenpsychologische Dimension, in der die liebsten hauswirtschaftlichen Gerätschaften des schaffigen Schwaben im symbolischen Raum eindeutig erotischer Inhalte zirkulieren, kennt Dodokay also sehr gut. Dazu grinst er froh und wispert mit verstellter Stimme. Wiederum: Er kann auch anders, kann noch die Werbung, und erschreckt sein Publikum eigentlich noch mehr, wenn er ihm plötzlich eiskalt einen Slogan auftischt, wohlbekannt aus Funk und Fernsehen.

Das Reutlinger Rathaus, die gelben Säcke, die Strumpfhosen und Kittelschürzen der Nachbarin, die schwäbischen Schrullen im Zehnerpack, der schwäbische Protestantismus, die schwäbische Stimme, die quakend auftrumpft und im nächsten Augenblick vielsagend murmelnd zur Seite kippt, Spontaneinfälle zur gründlichen Veräppelung argloser Zeitgenossen, dazwischen ein bisschen Oettinger oder Kretschmann im Dodokay-O-Ton und Werbung für medizinische Hautcreme, nasal vorgetragen mit unangenehm detaillierter Aufzählung aller Inhaltsstoffe, lassen immer wieder Beifallsstürme durch die Halle branden.

Nicht minder freilich die todernsten Mitteilungen über das Wesen der Balinger und die Schilderungen des einvernehmlichen Miteinanders oberschwäbischer Rockerbanden.

Dodokay redet viel, redet schnell, redet in vielen Dialektvarianten, mit vielen Stimmen, lässt, ganz im Alleingang, einen großen, irren, cartoonesken Mundartzoo von der Leine. Lustiger ging es im Sprachlabor niemals zu. Wer nicht vom Fach ist allerdings, das Schwäbische also nicht mit der Muttermilch aufgesogen hat, der versteht an diesem Abend fast kein Wort. Eine ausgesprochen elitäre Show ist es, die Dodokay gibt, sehr gut besucht, in der Reutlinger Stadthalle. (GEA)