REUTLINGEN. »Absolut unschwäbisch« soll sie sein, die Band, mit der Dominik Kuhn, Dodokay, am Freitagabend das franz.K besucht. Jeder, der jüngst im Kino war und erlebte, wie der Reutlinger den »Dr. Mabuse« neu erfand, wird das erst einmal für einen Scherz halten. Allerdings: Echte Reutlinger könnten es besser wissen, könnten wissen, dass Welcome to the Pleasure Dome, Dodokays Band »live from the Eighties« da war, ehe der schwäbische Genius begann, via Youtube die deutschsprachige Welt zu verändern.
Die Band macht sich rar; sieben Auftritte spielte sie in zwölf Jahren, den letzten 2015 in der Reutlinger Eishalle. Nun steht sie auf der Bühne des franz.K, der Saal ist ausverkauft, die Hits der 1980er erwachen wieder und der Dialekt muss in der Tat draußen bleiben, fast.
Betonung auf Funk und Groove
Dodokay ist der Schnabel freilich so schwäbisch gewachsen, wie sein Herz für die Musik seiner Jugend schlägt, und seine Ansagen sind deutlich. Madonna will ihre alten Songs nicht mehr so spielen, wie damals. »Also müsset mir des macha.« Ein Schwabe, ein Wort, das Big-Party-Reenactment kann beginnen.
Und das macht Spaß, vom ersten Song an schon, der das Programm vorgibt. Die 1980er-Jahre kann man popmusikalisch so lesen oder so – Dodokays Band liest sie entlang der Hitparaden, der glamourösen Ohrwürmer, die sie oft mit einer noch stärkeren Betonung auf Funk und Groove spielt. Die 1980er-Jahre sind hier Frankie goes to Hollywood; auch Depeche Mode ist sehr, sehr wichtig, drum herum tummeln sich Tears for Fears, Captain Sensible, Lisa Stansfield, Grace Jones, ABC und viele andere. Tina Turner, Königin der Hitparaden jenes Jahrzehnts, schaut kurz vorbei, wieder tröpfelt der Regen, und Dominik Kuhn selbst verwandelt sich in Falco, in Amadeus, mit Kostüm und Perücke. »Wir channeln die Eighties!«
Dicht am Original
Tamara Bencsik als Sängerin der Pleasuredome-Band sagte kurzfristig ab; Fauzia Maria Beg, bekannt aus Jazz- und Weltmusikformationen, übernahm, eignete sich rasch zehn Songs an und geht nun ganz in ihrer Rolle auf, verkörpert fast alle Frauen, die in den 1980er tanzen ließen. Gitarrist Michael Strobel singt in seiner roten Lederjacke das zweite Drittel aller Lieder; eine schwarze Sonnenbrille trägt nicht nur er. Und Dominik Kuhn, sonst der Impressario, der Mann auch, der im Hintergrund das Tambourin und andere Kleinpercussion schwingt, singt all die anderen Songs mit großer Leidenschaft, so ernst wie witzig. Keyboard, zwei Backgroundsängerinnen, Schlagzeug, Percussion, zwei Gitarren, Bass sorgen für einen vollen Klang und eine volle Bühne.
Der britische Schauspieler Patrick Allen nahm, exklusiv für die Reutlinger Band, noch vor seinem Tod 2006 die Sprachsequenzen, die er einst für Frankie goes to Hollywood einspielte, noch einmal auf – »Two Tribes« kommt dem Original so nahe. Fauzi Maria Beg wird ganz zuletzt dann zu Madonna, singt »Into the Groove« – und mehr als zwei Stunden einer Zeitreise über mehr als 30 Jahre sind im Flug vergangen. (GEA)