Logo
Aktuell Klassik

Dirigentennachwuchs am Pult: Konzert im Studio der Württembergischen Philharmonie

Mögliche Pult-Stars von morgen gaben sich im Studio der Württembergischen Philharmonie Reutlingen ein Stelldichein. Höhepunkte der romantischen Orchesterliteratur standen auf dem Programm.

Die französische Dirigentin Jeanne Cousin beim Werkstattkonzert im Studio der Württembergischen Philharmonie.
Die französische Dirigentin Jeanne Cousin beim Werkstattkonzert im Studio der Württembergischen Philharmonie. Foto: Christoph B. Ströhle
Die französische Dirigentin Jeanne Cousin beim Werkstattkonzert im Studio der Württembergischen Philharmonie.
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. Win-win-Situation nennt man das gemeinhin: Für den hoffnungsvollen Dirigentennachwuchs von der Hochschule der Künste in Zürich war es eine Übung unter Realbedingungen; für das Publikum sprangen ein Werkstattkonzert mit anspruchsvollen Werken und die Möglichkeit, internationale Nachwuchsdirigenten in einem frühen Stadium ihrer künstlerischen Entwicklung zu erleben, heraus. Das Studio der Württembergischen Philharmonie Reutlingen war denn auch am Donnerstagabend voller Neugieriger, die sich dieses von den Studentinnen und Studenten selbst moderierte »Special« nicht entgehen lassen wollten.

Es waren Studierende der Dirigierklasse von Professor Christoph-Mathias Mueller, die hier, zusammen mit der Württembergischen Philharmonie, Höhepunkte der romantischen Orchesterliteratur erklingen ließen: Jorge Yague aus Spanien, Leonhard Kreutzmann aus Deutschland, Mario Garcia aus Spanien, Jeanne Cousin aus Frankreich und Aurel Dawidiuk aus Deutschland. Vorausgegangen war ein dreitägiger Kurs mit der Württembergischen Philharmonie als »offenem und empathischem Partner«; einem Partner, über den man »komplett glücklich« sei, wie Mueller, Preisträger des Opus Klassik Awards 2020 und des Echo Klassik Awards 2017, dankend hervorhob. Die Reutlinger könnten sich glücklich schätzen, ein solches Orchester in ihrer Stadt zu haben, fügte der in Peru geborene, in der Schweiz aufgewachsene Dirigent hinzu.

Flirrende Traumwelt

Erster am Pult war an diesem Abend Jorge Yague, der die Ouvertüre zu »Ein Sommernachtstraum« von Felix Mendelssohn Bartholdy mit ruhevollen Akkorden beginnen ließ, im Folgenden aber auch immer wieder gezielt Impulssalven in die Orchesterreihen schoss, auf die die Musikerinnen und Musiker gut reagierten. Die flirrende Traumwelt des Elfenreichs, der höfische Festtagsglanz, die Liebesleidenschaft, die burleske Derbheit in den Rüpelszenen waren gut getroffen. Yague holte am Ende für die Holzbläser einen Sonderapplaus heraus.

Richard Wagners instrumentales Orchesterstück »Tristan und Isolde – Vorspiel und Liebestod« stand als Nächstes auf dem Programm. Leonhard Kreutzmann und Mario Garcia nahmen sich dieses Inbegriffs romantischer Musik an, formulierten ihn mit dem feinnervig auf ihre Zeichen reagierenden Orchester sehr lebendig, mit großen Spannungsbögen und emotionaler Kraft. Beide Dirigenten zeigten sich ein Stück weit vergeistigt, aber auch mit gutem Kontakt zum Orchester.

Mystischer Schwan

»Der Schwan von Tuonela« aus Jean Sibelius' »Lemminkäinen-Suite« war bei der französischen Dirigentin Jeanne Cousin in den besten Händen. Was für ein wunderbares Stück! Im Mittelpunkt: ein langes Englischhorn-Solo, das dem mystischen Schwan, der die Toteninsel Tuonela umschwimmt, Ausdruck verleiht. Die stimmige Darbietung im Studio der Philharmonie atmete Melancholie und Transzendenz. Das Publikum hörte eine sinfonische Dichtung von großer Intensität, in die es verzaubert versinken konnte.

Bevor Aurel Dawidiuk ans Pult trat, um mit der Württembergischen Philharmonie Richard Strauss' »Don Juan« Gestalt zu geben, dankte auch er für die freundliche Aufnahme in Reutlingen. Die Tage mit dem Orchester seien sehr lehrreich und intensiv gewesen. »Wir haben viel mitgenommen.« Das Publikum sah sich in dieser frühen Tondichtung von Richard Strauss mit einer überschwänglichen Einleitung konfrontiert. Kraftvoll gezeichnet war das Holzbläserthema für den Titelhelden. Gelungen auch die lyrischen Themen mit Solo-Violine und Oboen, die das Liebeswerben des Frauenhelden untermalten. Dass nach einer Maskenball-Szene das Werk nach einer überraschenden Generalpause in ersterbendem e-Moll endet, wurde effektvoll präsentiert. Dawidiuk bewegte sich zwischen Orchester und Publikum fast schon wie ein Routinier. (GEA)