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Aktuell Konzert

Die vielen Farben eines Instruments: Akkordeonale im Reutlinger franz.K

Seit 2009 organisiert Servais Haanen die Akkordeonale. Das große Fest um das Handzuginstrument ist wieder auf Tour, machte am Donnerstag Halt im Reutlinger franz.K und begeisterte das Publikum mit einer Vielzahl an Klängen, Geschichten, Kulturen.

Akkordeon zwischen Klassik und Moderne: Helena Sousa Estevz aus Spanien.
Akkordeon zwischen Klassik und Moderne: Helena Sousa Estevz aus Spanien. Foto: Thomas Morawitzky
Akkordeon zwischen Klassik und Moderne: Helena Sousa Estevz aus Spanien.
Foto: Thomas Morawitzky

REUTLINGEN. So vertraut, so volkstümlich, so kunstfern mutet es an, und doch wohnt ihm der größte Zauber inne. Die Akkordeonale beweist es, Jahr für Jahr, feiert ein Instrument, das unzählige Stile, Nuancen aufgreifen kann, das durch die Zeiten, Länder wandert. Sie versammelt Musiker, die mit fliegenden Fingern in fesselnden Klangbildern versinken und ihr Publikum mitnehmen, auf diese Reise. Im Reutlinger franz.K am Donnerstagabend ist wieder jeder Stuhl besetzt, als Servais Haanen, Organisator des Akkordeon-Events und selbst ein feinsinniger Zauberer der Tasten, die Teilnehmer seiner diesjährigen Tournee vorstellt. Tags zuvor gastierte die Akkordeonale im Tollhaus Karlsruhe, tags darauf wird sie in Dortmund spielen, mehr als 30 Stationen werden dann noch folgen.

Servais Haanen moderiert auf überaus einnehmende Weise und bringt den Hörern die Künstler persönlich nahe, stellt sie vor auch mit ihren Essgewohnheiten und Weltanschauungen, ihren Familien, ihrem Hintergrund. Im Saal entsteht eine familiäre Atmosphäre, angereichert durch skurrile Anekdoten – und die Musik wogt, schon beim ersten Stück, dass die Akkordeonisten der Runde 2025 gemeinsam spielen, einem Stück, das auf Deutsch den Namen »Die Fröhliche« trägt – hier weben alle Akkordeons an einem Teppich aus Melodien, und auch das Cello, gespielt von Johanna Stein, und die Launedda, ein sardinisches Instrument, das aus mehreren Rohrblättern besteht, weben mit. Gespielt wird die Launedda von Roberto Tangianu, der selbst aus Sardinien stammt; er mischt ihren sirrenden, hypnotischen Klang zumeist mit jenem des Akkordeons von Peppino Bande, auch er aus Sardinien. Beide werden das Reutlinger Publikum mit einem intensiven Auftritt begeistern.

Von Schottland nach Österreich

Der große Reiz der Akkordeonale besteht immer wieder darin, dass sie Musiker zusammenbringt, die unterschiedlichen kulturellen Kontexten entstammen, auf unterschiedlichen Formen des Akkordeons spielen, unterschiedliche Auffassungen ihres Instrumentes mitbringen, aber doch durch die spürbar große Leidenschaft für dieses Instrument geeint werden. Andrew Waite heißt der erste Künstler des Abends, der als Solist auftritt – er stammt auch Schottland, verarbeitet schottische, irische, englische Wurzeln in seiner Musik, trat auch schon gemeinsam mit Rockmusiker Sting auf. Die Österreicherin Franziska Hatz, eng verbunden auch mit dem Wiener Burgtheater, strahlt vor Energie, spielt zuerst gemeinsam mit Peppino Bande und Johanna Stein, spielt und singt ein Lied vom Alleinsein mit all der Lebensfreude des Balkans mit großem Schwung und Melodie. Gemeinsam mit Johanna Stein spielt Servais Haanen dann ein fröhlich-melancholisches Stück mit dem Titel »Just for Fun«, in das sich fraglos auch eigene Kindheitserinnerungen mengen.

Helena Sousa Estevez stammt aus Galicien, besitzt eine klassische Ausbildung, gehört Orchestern und Ensembles an, spielt zeitgenössische klassische Musik. Sie beeindruckt im ersten Teil des Abends mit Domenico Scarlattis Sonate in g-Moll – ein Stück klassischer Musik wandelt sich, in all seiner Feierlichkeit. »Reise nach Irgendwo« wiederum ist eine Komposition von Servais Haanen – ein Kommentar zum Zeitgeschehen, wie er selber sagt, einer jedoch, der freundlich fragend zu kreisen scheint über der Szenerie und sich gewiss nichts anderes als Frieden wünscht.

Berauschendes Finale

Im zweiten Teil des Abends kehren sie alle wieder – Helena Sousa Estevez, Andrew Waite, Franziska Hatz, Peppino Bande, Roberto Tangianu, Johanna Stein, musizieren solistisch, in kleinen Gruppen, geben gemeinsam ein großes Finale, aus dem die ganze Wärme, der ganze Farbenreichtum des Akkordeons aufsteigt, zaubern einmal die Stimmung eines irischen Pubs herbei, bringen ihr Publikum damit beinahe dazu, von seinen Stühlen zu springen, verbinden verschiedene slawische Tänze in einem anderen Stück. Und auch Servais Haanen spielt wieder eines seiner Stücke, das von einer Einsamkeit handelt, die auch sehr erfüllt sein kann - zumindest für Menschen, die die Kunst des Akkordeonspiels beherrschen. (GEA)