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Aktuell Konzert

Die Sprache des Afrojazz

REUTLINGEN.Es war ein langer Abend der Kontraste: Der in New York lebende Tunesier Yacine Boularès präsentierte am Freitag mit seiner Band Ajoyo ein pulsierendes Afro-Jazz-Gemisch mit ausschweifenden melodischen Improvisationen. Eine effektvolle Show, die sowohl musikalische als auch visuelle Höhepunkte en masse lieferte. Tobias Festls Pappelgarten avancierte für zwei Stunden zur Groove-Hochburg und am Ende des Konzerts gab's noch zwei Zugaben obendrauf.

Afro-Jazz sei die Musik der Zukunft, gab der seinen Zeitgenossen bisweilen selbst futuristisch anmutende Jazztrompeter Miles Davis in seiner Autobiografie zu Protokoll. Vor Augen hatte er dabei vor allem den nigerianischen Tenorsaxofonisten Fela Kuti, aber auch der tunesische Musiker Yacine Boularès hätte bestens in dieses Orakel des Jazz-Übervaters gepasst.

Verblüffend vielseitig

Nicht nur durch dessen expressives Saxofonspiel, auch wegen der kompetenten Unterstützung seiner vier Mitspieler und der eindrücklichen Gesangseinlagen von Sarah Elizabeth Charles kommt die Musik von Ajoyo enorm locker, tänzerisch und gleichzeitig explosiv daher. Verblüffend die Vielseitigkeit, überraschend der legere Umgang mit tradierten Jazzsongs, angenehm ihre Vorliebe für das Auskosten von Melodien.

Doch nicht nur der Multi-Holzbläser und die ebenfalls in New York lebende Sängerin Sarah E. Charles bringen das Pappelgarten-Publikum schnell zum Schwitzen - und teilweise gar zum Tanzen.

Der afrikanische Charakter der Musik erhält erst durch den glasklaren Keyboard-Sound von Ben Rando, die funkigen E-Bass-Einlagen von Sam Favreau, das hitzige Gitarrenspiel von Ralph Lavital und die kantigen Akzenten von Drummer Guilhem Flouzat die nötige Spannung. Sie alle geben dem Gesamtsound eine unvergleichliche Schärfe und machen diesen Konzertabend zu einem echten Knaller.

Reizvolle Verbindung

Der Auftritt von Ajoyo ist vor allem deswegen ein Konzert der Extraklasse, weil sich in ihrer Musik die unterschiedlichsten Kulturen widerspiegeln. Die Verbindung von Jazzrock, souligen Anklängen und Afro-Jazz erfüllt nicht nur die Ansprüche des Publikums, sie macht auch den ungemein atmosphärischen Reiz der Musik aus. Geschickt werden die ausnahmslos groovenden Stücke an der richtigen Stelle von jazzigen Soli durchsetzt. Und vor allem: Die Musik von Ajoyo geht sprichwörtlich in Bauch und Beine. Auf krampfhaften Ethno-Versatz wird verzichtet und dafür viel Wert auf die Wirkung des frischen und unbekümmerten Afrojazz gelegt.

Yacine Boularès gelingt das Kunststück, zwischen den Ansprüchen nach Ursprünglichkeit und Modernität zu vermitteln. Leichte und schwebende Rhythmen stehen neben zupackenden Funk-Sounds, ernste Themen neben unbekümmertem Ethno-Jazz. Yacine Boularès geht es um das behutsame Überschreiten von Kulturgrenzen ohne Verlust der eigenen Identität. Für den Afrojazz ist seine Musik ein schönes Echo in die Gegenwart. Und auch ein bisschen darüber hinaus. (GEA)