METZINGEN-GLEMS. Irgendwie konnten sie sich doch nicht aus dem Wege gehen, so unterschiedlich sie auch sind: Der Jazz- und Rock-Bassist aus Ulm und die singende Frau aus Kamerun, die einmal im Gemeinderat dieser Stadt saß. Hellmut Hattler erzählt im Glemser Hirsch einmal mehr die Gründungssage der Formation Siyou 'n' Hell: Eine Veranstalterin hatte ihn und Siyou Isabelle Carola Ngnoubamdjum zu einem gemeinsamen Auftritt verpflichtet, es ging, auch dies noch, um einen guten Zweck, um eine Benefizaktion. »Die Gospelkönigin und ich – als Ambient-Krautrocker, oder wie man das nennen soll! Ich habe im Strahl gekotzt!« Hellmut Hattler kannte Siyou Ngnoubamdjum natürlich – »aus der Zeitung«, sagt er. »Wir haben in hundert Jahren nicht gedacht, dass wir einmal zusammen etwas auf die Reihe bekommen würden.«
Da saßen sie nun also zusammen im Keller und sollten und mussten – heraus aus ihrer jeweiligen »Komfortzone«. Und spielten zusammen eine Cover-Version – dabei, schon wieder, rebelliert der ganze Hattler, noch bei der Erinnerung: »Ich hatte nie Cover-Versionen gespielt«. Sagt er. »Ich bin ein Künstler!« Jenes Stück aus fremder Feder, an dem sich das Duo zuerst versuchte, gibt es auch im Hirsch, aber leider nur kurz: »Baby Love« von Mother’s Finest kommt dort gut an. Der Rest des Programmes auch. Siyou 'n' Hell – ein nur scheinbar finsteres Wortspiel mit den Vornamen der Partizipierenden – bestehen seit nun 16 Jahren. Hattler und Ngnoubamdjum haben zwei Alben veröffentlicht und sind nicht zum ersten Mal in Glems. Im Hirsch fühlt sich Hellmut Hattler, das sagt er, mittlerweile wie zu Hause, wie in seinem Wohnzimmer.
Siyou ist eine Rhythmusmaschine
Die Vermutung, ein E-Bass und eine Stimme könnten keinen Abend rocken, ist widerlegt, seitdem diese beiden sich trafen. Dass kein anderes Instrument im Spiel ist, verstärkt hier lediglich die puristische Intensität der Erfahrung. Aber alleine schon Siyou Ngnoubamdjum muss als ein insgesamt besonderes Instrument betrachtet werden: Sie ist Sound- und Rhythmusmaschine durch und durch; sie springt über die Bühne, sie singt, sie lacht, sie schüttelt sich, sie birst vor Leidenschaft, und die kleinen Shaker, die sie dabei bedient, die in ihren Händen tanzen und den Takt mit perfekt scharfem Klicken akzentuieren, scheinen ein Teil ihres Körpers, ihres ganzen Seins zu werden.
Ihr gegenüber steht der lakonische Hellmut Hattler und feuert mit bekannter Wucht seine Riffs und Figuren in den Bass. Hattler hat seine ureigene Spieltechnik auf dem E-Bass entwickelt – er schlägt mitunter ganze Akkorde an, dann wieder, mit viel Druck, einzelne Noten, Läufe, die kunstvoll und gleichzeitig rustikal wirken. Energie und ein mächtiger Groove stecken immer darin. Der Sound ist trocken, knapp, ein bisschen schmutzig. Dieser Bass will nicht singen – er knallt, stottert, tanzt, gräbt tief in der Erde. Siyou Ngnoubamdjum ist immer dabei. Sie und Hellmut Hattler scheinen eine einzige Maschine zu sein.
Das Publikum geht mit
Ihr Material ist soulig, mit Tempo, gönnt sich selten die leiseren, sphärischen Momente, und die Weigerung des Künstlers, Cover-Versionen zu liefern, setzt sich durch – mit Ausnahmen. Denn schließlich ist auch John Lennons »Come Together« ein Stück, in dem souliger Refrain und eine schwer daher rollende Basslinie aufeinander treffen. »With Or Without You« von U2 indes ist ein Song, der bei Siyou 'n' Hell ganz neue Qualitäten gewinnt, fast schon transzendentale Glückseligkeit verströmt – mit einem Publikum, das ganz bei den Künstlern ist, das summt und klatscht und selig ist. (GEA)