STUTTGART. Auf drei feste Tanzkompanien kann Stuttgart inzwischen stolz sein, dank Eric Gauthiers Hartnäckigkeit. Neben Gauthier Dance gibt es seit einem Jahr die Gauthier Juniors, sechs junge Tänzer, frisch von der Akademie. Sie bringen auch in ihrer zweiten Premiere viel jugendlichen Sturm und Drang in die unterschiedlichsten Stücke. »Dream Team« heißt das Programm, eigentlich war der wesentlich längere Titel »Something old, something new, something borrowed, something blue« vorgesehen – Kenner romantischer Filmkomödien wissen, dass Bräute nach englischer Tradition mit diesen vier Dingen versorgt werden.
»Something old« ist in diesem Fall das Stück »Jardi tancat« des spanischen Altmeisters Nacho Duato, vor über 40 Jahren entstanden fürs Nederlands Dans Theater NDT 2 zu melancholischen Liedern der Sängerin Maria del Mar Bonet. In den Braun- und Orange-Tönen der staubigen Erde schauen drei Paare aus ihrem »umfriedeten Garten«, das bedeutet der Titel, sehnsüchtig aufs Meer hinaus, hoffen auf Regen, bearbeiten den Boden. Noch vermisst man das weiche, hingegossene Fließen in den Körpern, das Duato damals von Jirí Kylián gelernt hat, vielleicht braucht man doch ältere Tänzer für das angedeutete Dulden und Leiden.
Aufführungsinfo
»Dream Team«, die neue Show der Gauthier Dance Juniors, ist im Theaterhaus Stuttgart zu sehen von 25. bis 26. Januar, von 12. bis 19. März und von 28. Mai bis 1. Juni. (GEA)
»Something borrowed«, etwas Geliehenes, stammt aus dem Programm der »Hauptmannschaft«, wie Eric Gauthier seine große Kompanie nennt: Alejandro Cerrudos »Lickety-Split« hinterließ 2011 so wenig Eindruck, dass es einem wie neu vorkommt. Auch hier wird zu Songs getanzt, der Spanier hinterfragt mit ironischem Augenzwinkern ein paar Mann-Frau-Klischees. Neben einem originellen Solo für den virtuosen Rong Chang und ein, zwei originellen Duos bleibt immerhin gute Unterhaltung.
Traurige Bräute
Der blaue Beitrag stammt vom neuen Hauschoreografen Barak Marshall, der in »The Blue Brides« drei verlassene Bräute am Altar zeigt – und ihre kleinen Horrorgeschichten. In ironischen, gerne ins Absurde gleitenden Bildern erzählt der Amerikaner mit israelischem Hintergrund von Lügen, Einsamkeit, Eifersucht und Rache. Getanzt wird barfuß zu flotten Liebesliedern, Marshall liebt theatralische Effekte und tiefschwarzen Humor. Seine Tänzer halten ganze Ansprachen, sprechende Gesten mischen sich in den rasanten Stil, ein wenig Gesellschaftstanz, die erdverhaftete israelische Folklore. Das mag keine bahnbrechende Avantgarde sein, macht aber sehr viel Spaß und fordert die Persönlichkeit der jungen Tänzer.
Die Kanadierin Virginie Brunelle fiel bisher durch sensibles In-sich-Hineinhorchen auf und überrascht nun in ihrer Uraufführung »High Moon« mit einer Art Techno-Bolero: als hätte jemand Maurice Ravels Welthit im Berliner Berghain-Club losgelassen. Herausgeleuchtet aus dem Dunkel, gibt es für die schicken Tänzer nur eine einzige Richtung, wie auf dem Laufsteg immer wieder aufs Publikum zu. Sie trippeln, schreiten, präsentieren sich, fallen in kurze Ekstasen, wenden Blick und Arme nach oben, bilden manchmal eine Art herabstürzende Laokoon-Gruppe. Es ist ein fetziges, wogendes Stück, perfekt für die Juniors – getanzt vor einem Publikum, das die zahlreich anwesende Politprominenz freundlich bemüht begrüßte, aber für die Künstler in lauten Jubel ausbrach. Auch für Nacho Duato, der sein Vollzeitgehalt wieder in Russland verdient. Wer gut choreografiert, dem wird in der Tanzstadt Stuttgart alles vergeben. (GEA)