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Die Junge Sinfonie Reutlingen ist 70 Jahre jung

Das Orchester feiert mit einem Konzert mit Ehemaligen in der Stadthalle einen runden Geburtstag.

Rainer M. Schmid probt mit der Jungen Sinfonie Reutlingen fürs Konzert am Sonntag mit Aktiven und Ehemaligen.  FOTO: PRIVAT
Rainer M. Schmid probt mit der Jungen Sinfonie Reutlingen fürs Konzert am Sonntag mit Aktiven und Ehemaligen. FOTO: PRIVAT
Rainer M. Schmid probt mit der Jungen Sinfonie Reutlingen fürs Konzert am Sonntag mit Aktiven und Ehemaligen. FOTO: PRIVAT

REUTLINGEN. Aus Hamburg, Köln, München, Karlsruhe oder auch vom Bodensee sind in diesen Tagen ehemalige Mitglieder angereist, um das 70-jährige Bestehen des Orchesters zu feiern, das sich seit 1995 Junge Sinfonie Reutlingen nennt, 1949 aber als Reutlinger Jugendorchester von Erich Reustlen gegründet wurde.

Gustav Mahlers erste Sinfonie soll beim Geburtstagskonzert am 2. Juni in der Reutlinger Stadthalle das Bindeglied sein zwischen den etwa 60 jungen Musikern, die das Orchester heute prägen, und 45 bis 50 Ehemaligen, die dem Ensemble entwachsen sind, es sich aber nicht nehmen lassen, noch einmal mitzuspielen. Nach entsprechender Vorbereitung, versteht sich.

Vier Extraproben wurden dafür angesetzt. Igor Strawinskys »Greeting Prelude« und Johannes Brahms’ Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll stehen außerdem auf dem Programm. Rainer M. Schmid, der Deutschlands ältestes selbstverwaltetes Jugendorchester seit 1981 leitet, dirigiert.

Sechs Dirigenten seit 1949

Noch immer gilt Oskar Kalbfells Satz aus dem Jahr 1974: »Wenn heute immer wieder behauptet wird, die Jugend habe keine Ideale mehr und sei nur auf Konsum eingestellt, dann erbringen die Mitglieder des Jugendorchesters den Gegenbeweis.« Kalbfell gratulierte damals in seiner Funktion als Vorsitzender des Reutlinger Vereins für Volksbildung zum 25-jährigen Bestehen des Orchesters und versicherte: »Unser Verein wird das Orchester auch in Zukunft gerne unterstützen.«

Reutlingens damaliger Oberbürgermeister Dr. Manfred Oechsle zählte ebenfalls zu den Gratulanten. »Mit Genugtuung dürfen wir feststellen, dass das Orchester keinen Nachwuchsmangel kennt«, sagte er und zeigte sich »froh und dankbar, dass dieses Orchester jungen, musikbegeisterten Menschen die Möglichkeit gibt, sinfonische Musik zu erarbeiten, darzubieten und auch Orchestererfahrung zu sammeln«.

Die Dirigenten in den sieben Jahrzehnten seit der Gründung waren – neben Erich Reustlen und Rainer M. Schmid – Peter Marx, Norbert Bihlmaier, Jörg Huber und Jörg Stanger. Bis heute profitiert die Junge Sinfonie vom 1954 gegründeten Nachwuchsorchester (NWO), in dem sich die jungen Musiker schon zu Reustlens Zeiten auf das Orchesterspiel vorbereiten konnten, bis sie reif für das »große« Orchester waren. Ute Roming aus Pfullingen weiß noch genau, wie sich das anfühlte, neu ins Jugendorchester zu kommen. 1980 war das. Gegen Ende der Nachwuchsorchester-Probe pflegte der Dirigent des Jugendorchesters hereinzuschauen. Jörg Stanger war das damals. »Da hat man sich dann immer bemüht, besonders gut zu spielen und gut dazusitzen. Und man hat gehofft, dass man gefragt wird, ob man ins große Orchester kommen will.« Als Geigerin fühlte sie sich rasch gut aufgenommen; später wechselte sie dann in die Bratschengruppe. »Es war gut, dass wir vier Neue waren. Aber es war schon aufregend. Und dann auch gleich Strawinskys ›Concerto en ré‹ spielen zu müssen!«

Großartig findet Ute Roming, die seit Jahrzehnten Instrumentalunterricht gibt, dass das Konzept nun schon seit 70 Jahren funktioniert. »Ein selbstverwaltetes Orchester, tolle Solisten, tolle Mitspieler, von denen etliche Berufsmusiker geworden sind, und immer wieder neue Ideen.« Im Grunde sei es fast ein Wunder, dass »bei allen Moden, die es so gibt, sich die Junge Sinfonie als Konstante erwiesen hat«.

Sebastian Moll, Stimmführer der Bratschen, stellt mit Freude fest, dass es dem Orchester nicht an Nachwuchs mangelt. Ja, es gibt sogar Wartelisten mit Aspiranten, die bereit sind, musikalisch den nächsten Schritt zu tun. Die anstrengende Abi-Zeit hat der Betzinger auch deshalb gut überstanden, weil er, wie er sagt, bei den Proben mit dem Orchester den Kopf wieder freibekam. Als Stimmführerin der Holzbläser muss sich auch Laura Liebhardt viel mit ihren Mitspielern absprechen, nicht nur jetzt, wenn die Ehemaligen dazukommen. Aber sie findet, dass sich der Einsatz lohnt und es am Ende »schön ist, wenn die Dinge gut klappen«.

Abends Kammermusik

Die Freude an der Musik mit anderen zu teilen, ist der Bempflingerin wichtig. Genau wie die jährlichen Probenfreizeiten im Gebirgsort Terenten in Südtirol mitzuerleben, wo man nicht nur die Mitspieler besser kennenlernt, sondern abends auch mal Gelegenheit hat, spontan Kammermusik zu machen. Dass man das Instrument auch mal beiseite legt und beispielsweise in der Kirche eine Messe singt oder in den Bergen ein Madrigal, gehört für Laura Liebhardt ebenfalls dazu.

Unterstützt wird die Junge Sinfonie von der Stadt Reutlingen, der Christel-Guthörle-Stiftung, der Danzer-Stiftung und der Gesellschaft der Musikfreunde Reutlingen. Der Guthörle-Stiftung verdankt das Jugendorchester auch diesmal wieder die Solisten beim Brahms-Doppelkonzert: Eva und Jakob Schall sind Stipendiaten der Stiftung, die sich auch an den Fahrtkosten zu den Probenfreizeiten beteiligt. Die Mahler-Sinfonie ist für das Orchester eine Herausforderung. Sebastian Moll verweist auf »technisch heikle Stellen«, Ute Roming auf die vielen Tempowechsel und Binnenverzögerungen. Mit Rainer M. Schmid, genannt Mecki, zu proben, sei motivierend und mache viel Spaß, sind sich Ute Roming, Laura Liebhardt und Sebastian Moll einig. (GEA)

 

 

 

 

KONZERTINFO

Für das Festkonzert »70 Jahre Junge Sinfonie Reutlingen« am Sonntag, 2. Juni, um 19 Uhr in der Reutlinger Stadthalle sind Karten beim Musikhaus Schäfer in Reutlingen, bei der Stadtbücherei Pfullingen und an der Abendkasse erhältlich. Die Aktiven und Ehemaligen der Jungen Sinfonie spielen neben Gustav Mahlers erster Sinfonie Igor Strawinskys »Greeting Prelude« und Johannes Brahms’ Konzert für Violine, Violoncello und Orchester. Solisten sind die Geschwister Eva (Violine) und Jakob Schall (Violoncello). (GEA)

www.junge-sinfonie.de