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Aktuell Lesung

Die heilsame Wirkung von Musik

Oboist Albrecht Mayer stellt im Tübinger Silchersaal seine Biografie »Klangwunder« vor

Albrecht Mayer und Co-Autorin Heidi Friedrich bei der Lesung im Silchersaal.  FOTO: VARADY
Albrecht Mayer und Co-Autorin Heidi Friedrich bei der Lesung im Silchersaal. FOTO: VARADY
Albrecht Mayer und Co-Autorin Heidi Friedrich bei der Lesung im Silchersaal. FOTO: VARADY

TÜBINGEN. Bisweilen trägt man so manchen Ballast mit sich. Wenn man es schafft, diesen Ballast abzuwerfen und Belastendes zu verarbeiten und zu lösen, dann kann man glücklich durch das Leben gehen. Der Star-Oboist Albrecht Mayer von den Berliner Philharmonikern hat durch die Musik seinen eigenen Schlüssel zum persönlichen Glück gefunden. Mit diesem Schlüssel hat er alle Widrigkeiten im Leben überstanden und sogar sein Stottern hinter sich lassen können. Nun hat er seine Autobiografie, »Klangwunder« (224 Seiten, 22 Euro, Adeo-Verlag), geschrieben, wobei sein großes Anliegen hierbei ist, jedem Menschen mit einer Sprachbehinderung Mut zu machen, seinen eigenen Weg zur Heilung zu finden .

Am Montagabend kam Mayer zu einer Lesung aus seinem Buch, gepaart mit Musik und Gespräch, in den Silchersaal des Museumsgebäudes Tübingen, zu welcher die Buchhandlung Osiander eingeladen hatte. Ein höchst menschlicher und humorvoller Abend wurde den zahlreichen Zuhörern geschenkt. Mayer hat eine schalkhafte Art, über Dinge zu berichten, und mit zugewandtem und leutseligem Auftreten ließ er sogleich viel Nähe mit dem Publikum zu. Kein Abstand war hier wie ein Burggraben ausgebreitet, sondern es war zu spüren, dass er Nähe sucht und benötigt, und dankbar wurde dies angenommen. Die Co-Autorin Heidi Friedrich moderierte den Abend, behutsam, gleichsam nur anstoßend und Mayer mit Verehrung jeden Freiraum lassend.

Mit Humor gespickt

Kleine Anekdoten füllten den Abend, über das Landen in falschen Fliegern oder über die plötzliche Situation, in der konzertlosen Corona-Zeit geballte Familienzeit zur Verfügung zu haben (spaßhaft mit Loriots »Pappa ante Portas« zu vergleichen). Auszüge aus seinem Buch rundeten das Bild ab. Liebenswürdig ungezwungen las Mayer über die menschlichen Auswirkungen seines einstigen Stotterns, über die Bundeswehrzeit, wo seine Konzerthalle die Toilette war, über sein ungewolltes Cannabis-Erlebnis vor dem wichtigsten Vorspiel oder über einen kleinen Fauxpas beim Papst.

Geschrieben ist das Buch genau so, wie Mayer spricht. Nonchalant, lebendig und gleichzeitig gelassen, gespickt mit viel Humor. Am besten taucht dieser überall versteckte Humor durch die gesprochene Form auf. Mayer erweist sich als ein Mensch, der trotz anfänglicher Widrigkeiten fest im Leben steht, der alles überwunden hat und mit Lebenslust zurück und voraus blicken kann.

Augenzwinkernd kann man auch die Musik-Auswahl nennen, die er dem Publikum erfreulicherweise schenkte. Gemeinsam mit der am Klavier differenziert begleitenden Chiaki Hils wurden Mozart-Arien ausgebreitet. Ob »Martern aller Arten« verschmitzt auf die eigenen Lasten anspielte? »Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen« war das Gegenteil von Mayers Weg, der mit sich selbst im Reinen ist und nichts nachträgt, wie er betonte.

Wenn man sich mit einem Instrument für eine Arie entscheidet, dann muss man malen können. Mayer tat dies mit seinem makellosen Ton, beinahe sprechend, einzelne Töne auf feinste Weise ausmalend. Mal innig und wohlgeformt oder als Königin der Nacht mit Schärfe und Ungeduld, und immer mit seinen feingliedrigen Händen strahlend und erlesen.

Es wäre nur zu schön, wenn jeder seinen eigenen Weg finden würde, der ebenso viel Heil ermöglicht wie die Musik und die Oboe für Albrecht Mayer. Letzterer spendet jedenfalls mit seiner Kunst und durchaus auch mit seiner liebenswürdigen und leutseligen Art Glückseligkeit. Vielleicht ist sein Buch für manchen ein Anreiz, seinen Lebensschlüssel zu finden. (GEA)