ENINGEN. In den 23 Ausgaben von HAP Grieshabers Hauszeitschrift »Engel der Geschichte« (1964-1976) waren immer wieder Künstlerkollegen eingeladen, sich mit themennahen Beiträgen zu beteiligen. So im »Sühne-Engel« (1966) Horst Antes oder im »Urnen-Engel« (1969) Walter Stöhrer. Eine ähnliche bildhafte Gegenüberstellung griff der Förderverein Eninger Kunstwege in seinen Ausstellungen im oberen Foyer der Eninger HAP-Grieshaber-Halle auf. So hieß im Jahr 2022 der Auftakt: »Alblandschaften ? Klaus Herzer im Dialog mit HAP Grieshaber«. Hermann Walz, dem Vorsitzenden des Fördervereins, war es wichtig, die oft mit Messer und Trennschleifer entstandenen erzählerischen Farbholzschnitte des Altmeisters mit solchen in malerisch gehaltenen Drucken wie »Albwinter«, »Farrenberg« oder »Albhochfläche« des Öschinger Künstlers zu verknüpfen.
Für das Jahr 2025 hat sich Tanja Niederfeld zur Ausstellung in Eningen eingebracht. Sie besitzt im Ortskern von Betzingen als ausgebildete Stahlgraveurin ein Atelier: Druckgrafik, Zeichnung, plastisches und bildhauerisches Arbeiten sind ihre Aushängeschilder. Zum Auftakt der Schau »dialogisch ? HAP Grieshaber / Tanja Niederfeld - eine Gegenüberstellung« begrüßte Hermann Walz in vollem Haus, umrahmt von den Saxofonisten Klaus Hohlocher und Jörg Dold. Während Grieshaber nur mit einem halben Dutzend Holzschnitten aus der Kunstsammlung der Gemeinde Eningen präsent ist, bietet Tanja Niederfeld mit rund 20 fein abgestimmten Drucken das Gegengewicht.
Ausgeklügelte Mischtechnik
Malerisch nimmt sie die Topografie der Schwäbischen Alb auf, um sich dann im eigentlichen Werkprozess dem Holzschnitt, richtigerweise dem Holzdruck anzunähern. In der mehrteiligen Serie »Resonanz« von 2025 bringt sie ihre Impressionen in das Format 40 mal 40 Zentimeter ein. Der Betrachter erlebt eine Wanderung am monochrom gehaltenen Berghang und kommt auf die Hochebene. Mal tritt der Bergtrauf in den Vordergrund, mal schlängelt sich ein Wegverlauf durch die Talebene, Wald und Wiese stehen sich gegenüber. Sticht intensives Blau hervor, dann spielen die Gedanken in Richtung Blautopf bei Blaubeuren. Tanja Niederfeld geht mit pastosen Farben um, die in ausgeklügelter Mischtechnik zum unikaten Drucken auf Leinwand oder Büttenpapieren führen. »Das Drucken ist kein einmaliger Vorgang«, sagt sie selbst, »sondern ein Prozess, in dem feinste, ausschließlich von Hand gedruckte Schichten überlagert werden.«
Um das Dialogische hervorzuheben, erinnerte Kunsthistorikerin Petronela Soltész vom Kunstmuseum Reutlingen bei der Eröffnung der Ausstellung an Grieshabers gedruckten Alb-Einstieg mit dem Buch »The Swabian Alb / A Book of Woodcuts« (1936/37), in dem sich auch sein Freund Klaus Vrieslander beteiligte. Immerhin entstanden so 32 Grieshaber-Holzschnitte in einer Auflage von rund 20 Exemplaren: Landschaften, die der Achalm-Künstler seit 1946 zeit seines Lebens von seinen »Vereinigten Hüttenwerken« aus vor Augen hatte.
Typische Trauflagen
Tanja Niederfeld ist unterwegs, wie sie sagt, bei der »Vermessung von Raum und Zeit«. Als sie im April 2016 in der Betzinger Mühlstraße 19 ihr Atelier eröffnete, zählte auch der damalige Bezirksbürgermeister Thomas Keck (inzwischen Reutlinger OB) zu den Gästen. Schon damals war eine gewisse Richtung ihres Stils zu erkennen: Große horizontal angelegte Flächen, mit oft strukturierten hellen Farbabrieben bedeckt, mit wenigen Lineaturen gegliedert, vermitteln die typischen Trauflagen des mittleren Albgebiets.
Was die Herkunft der Künstlerin betrifft (in Friedrichshafen aufgewachsen), schilderte der Reutlinger Autor Bernd Storz im Rahmen der vierteiligen Holzschnittserie »Bodensee« (2005) innerhalb der Kunstsammlung des Landkreises Reutlingen: Abstrakte Formulierungen, trotz des harten Farbkontrasts Rot versus Schwarz, wo ein Rest Atmosphärisches mitschwinge, gleich Wasserstrudeln, die um den Fuß der Pfähle kreisten.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »dialogisch ‒ HAP Grieshaber / Tanja Niederfeld - eine Gegenüberstellung« auf der Empore der HAP-Grieshaber-Halle in Eningen dauert bis Dezember. Geöffnet ist jeweils am ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr. Öffnungszeiten auf Anfragen möglich: kulturamt@eningen.de. (GEA)
Die Ausstellung in Eningen bedeutet für Tanja Niederfeld lediglich eine Zwischenstation. Weiter, höher, den Albtrauf überwindend, führt ihr Werk in eine visionäre Zukunft. (GEA)