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Der Reutlinger Musiker Götz Schiemer ist mit 61 Jahren gestorben

Er trommelte für Safnama und Johanna Zeul, führte ein Leben zwischen Deutschland und Afrika. Nun ist der Reutlinger Musiker Götz Schiemer gestorben. Er wurde nur 61 Jahre alt.

Die Musik war alles für ihn: Schlagzeuger Götz Schiemer auf einer Porträtaufnahme.
Die Musik war alles für ihn: Schlagzeuger Götz Schiemer auf einer Porträtaufnahme. Foto: Robert Storz
Die Musik war alles für ihn: Schlagzeuger Götz Schiemer auf einer Porträtaufnahme.
Foto: Robert Storz

REUTLINGEN. War es eine Vorahnung? Auf seinem letzten Youtube-Video singt Götz Schiemer mit der Gitarre in der Hand das Lied »Nach ner gewissen Zeit« von Johanna Zeul, das mit den Worten beginnt: »Nach ner gewissen Zeit, wenn ich gestorben bin ...«. Seine Version des Songs betitelte er mit »Alles ... wird gut«. Anfang August brach er in Berlin beim Kartenspielen in der Kneipe zusammen. Atemnot, Herzattacke, die Fahrt im Rettungswagen hat er nicht überlebt. Er wurde 61 Jahre alt.

In der Tonne und in Bands aktiv

Götz Schiemer war einer, der vor Kreativität sprühte, immer neue Ideen hatte, immer auf dem Sprung war. So schildert ihn sein Sohn Moritz Schiemer, der selbst auch Musik macht: "Eines seiner Mottos war: 'Sei, wer du bist, und werde, was du sein willst!'. Götz Schiemer trommelte bei der Reutlinger Afrobeat-Gruppe Safnama, war als Drummer und Perkussionist mit der aus Gönningen stammenden Songwriterin Johanna Zeul unterwegs. Er hat mit dem Didgeridoospieler Stefan Gög zusammengearbeitet, auch mit den legendären Schwoißfuaß gespielt. 2012 stand er mit Johanna Zeul und ihrer Band auf der Bühne der Max-Schmeling-Halle in Berlin und performte beim auf Pro7 übertragenen "Bundesvision Contest" von Stefan Raab.

In Reutlingen war Schiemer zeitweise bei der Tonne aktiv, wirkte an deren Theaterproduktionen mit. 2003 wurde er mit Johanna Zeul in das Förderprogramm »Bandpool« der Rockstiftung Baden-Württemberg aufgenommen. Dabei war Götz Schiemer ein Wandler zwischen den Welten. Die Begeisterung für afrikanische Rhythmen führte ihn ins westafrikanische Gambia, wo er längere Zeiträume verbrachte.

Schwieriger Weg zur Musik

Leicht war sein Weg zur Musik nicht. 1963 geboren brachte er sich das Gitarrespielen und Trommeln selber bei, holte bereits als Teenager einen Jazzpreis in Stuttgart. Zu Hause fand er dafür wenig Verständnis; seine Mutter drängte auf einen Handwerksberuf. Früh zog er aus, wurde Krankenpfleger, bildete sich in Intensivpflege fort.

Sein Leben war eines der vielen Aufbrüche. Zeitweise war er in der Stuttgarter Hausbesetzer-Szene aktiv. Aus zwei Partnerschaften in Reutlingen gingen ein Sohn und eine Tochter hervor. Ein festes Familienleben habe sein Vater nie lange ausgehalten, berichtet sein Sohn Moritz. Es zog ihn hinaus, vor allem in sein Sehnsuchtsland Afrika. In Gambia erlernte er neue Trommelrhythmen, die er seinerseits an junge Afrikaner weitergab. Er bekannte sich zum Islam, den er seinem Sohn zufolge auch aktiv praktizierte.

Tragisches Unglück in Gambia

In Gambia fand Schiemer auch eine Lebenspartnerin. Seine Versuche, sich dort eine Existenz aufzubauen, blieben jedoch ohne dauerhaften Erfolg. Er versuchte, einen Kinobetrieb auf die Beine zu stellen, half beim Errichten von Unterkünften. Ein tragischer Unglücksfall machte das Sehnsuchtsland endgültig zum Alptraum: Bei einem Unwetter wurde seine schwangere Frau von einem umstürzenden Baum erschlagen. Danach sei er nicht mehr der Alte gewesen, war der Eindruck von Johanna Zeul.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland lebte Schiemer in Berlin, zeitweise in einer Wagenburg-Siedlung. Sein letztes Youtube-Video zeigt ihn guten Mutes und versöhnt mit der Welt. Allerdings machten ihm Herzbeschwerden zu schaffen. Eine Herzattacke war es wohl auch, die ihn das Leben kostete. Reutlingen verliert mit ihm einen künstlerischen Aktivposten, der ständig über Grenzen hinausdrängte. (GEA)