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Der Mann hat den Blues: Andreas Kümmert sang im Hirsch in Glems

Viel eigene Musik und ein paar brillante Cover-Songs stimmte Andreas Kümmert am Donnerstagabend in Glems an. Der Hirsch war ausverkauft, am nächsten Abend gleich nochmal. Den Blues hat der kauzige Unterfranke gleich in mehrfacher Hinsicht.

Seine Augen macht Andreas Kümmert beim Singen lieber zu: Hier beim Auftritt in Mannheim bei den Rhein-Neckar-Löwen.
Seine Augen macht Andreas Kümmert beim Singen lieber zu: Hier beim Auftritt in Mannheim bei den Rhein-Neckar-Löwen. Foto: Eibner Pressefoto/Oliver Schmidt
Seine Augen macht Andreas Kümmert beim Singen lieber zu: Hier beim Auftritt in Mannheim bei den Rhein-Neckar-Löwen.
Foto: Eibner Pressefoto/Oliver Schmidt

METZINGEN-GLEMS. Bei Harry Potter gibt es den Unsichtbarkeits-Mantel. Der fällt einem ein, wenn man am Donnerstagabend zuschaut, wie Blues-Musiker Andreas Kümmert auf die Bühne des Glemser Hirsch läuft. Im Couch-Look. Seitlich rein, den Blick gesenkt. Am Bühnenrand legt er seine Brille weg, atmet nochmal tief durch. Man hat das Gefühl, Kümmert würde gern so einen Harry-Potter-Mantel tragen. Und man würde ihm auch gern einen geben.

Da floatet man gerne mit

Der Moment geht vorbei. Kümmert greift zur Gitarre, stimmt sie ein bisschen und schleicht sich dann mit einem Rhythmus ins erste Stück. Ab dann – Musik. Es versinkt und verschwimmt ziemlich vieles drumherum. Der ausverkaufte Hirsch (den füllte Kümmert gleich zweimal, am Donnerstag und Freitag). Die Gäste, gestandene Leute, des kreischenden Fantums unverdächtig, sie essen nebenher Schnitzel, zur Not auch mit dem Rücken zur Bühne. Die mit Aufklebern bepflasterte Gitarre, an deren Kopf Saiten abstehen. Diese Drähte werden den ganzen Abend über vibrieren, zucken und Eigenleben entfalten wie Alien-Antennen. All das ist nicht so wichtig. Wenn Kümmert erst mal auf seiner Musik floatet, floatet man gern mit.

Seit fast einem Jahrzehnt ist der Unterfranke aus den Schlagzeilen draußen, der einstige Sieger von »The Voice of Germany«. Nach dem Fernseh-Höhepunkt damals hat er der großen Vermarktung eine Absage erteilt. Trat trotzdem noch an bei der Vorauswahl zum Eurovision Song Contest, siegte auch dort und sagte auch dort ab. Eine Angststörung, erfuhr man. Es wurde ruhiger, vermutlich ist das genau richtig. Er macht nach wie vor Musik, alles andere wäre undenkbar. Er schreibt Songs, veröffentlicht Alben, tourt fleißig, gern kleine Locations. Und er hat den Blues. In der Musik und im Leben, offenkundig.

Zartes und Mitreißendes

Am Donnerstag, während er bekannte und fremdere Songs aneinanderreiht, eigene und gecoverte, zarte und mitreißende, offenbart er gleich mehrerlei Blues, auch jenseits der Musik. »Mein Leben ist grad nicht so toll.« Den Single-Blues hat er, seit eineinhalb Jahren ist er allein, auf Dating-Apps wollen ihn nicht mal diejenigen, die sonst keiner will. Den Hals-Nasen-Ohren-Blues hat er auch, seit Wochen sei die Stimme angeschlagen, »vielleicht ist es ja Krebs«. Er ist unzufrieden mit sich und dankt dem Publikum, dass es trotzdem bleibt.

Okay: An einigen Stellen ist hörbar, wie viel Kraft er braucht für die Töne. Ansonsten könnte sich mancher glücklich schätzen, nur einen Teil der Stimme und des Talents zu haben, wie man es bei Kümmert auch an angeblich schlechten Tagen hören und spüren kann. Die Intonation stets perfekt, die Stimme vielfarbig, er setzt sie wunderbar emotional ein. Immer wieder bricht Leben strahlend hindurch wie Krokusse durch die Erde im winterwelken Garten. Seine Gitarre – wie festgewachsen. Der Percussionist exzellent und auch fast angewachsen.

Musikalisch ein weiter Weg

»Simple Man« war sein Final-Song damals in der Casting-Show. Er singt ihn noch und findet neue Nuancen. Er singt auch das Elton-John-Cover »Rocket Man«, das ihn damals erst ins Fernsehen katapultierte – es hat musikalisch einen weiten Weg hinter sich. Der Song für seinen Sohn, die Hymnen, die Liebeslieder und die Frustlieder, man könnte Kümmert lange zuhören. Könnte, denn im echten Leben macht er es eher kurz. Gute Besserung! Der Stimme und der Stimmung! (GEA)