STUTTGART. Am Ende kann man nicht mehr genau unterscheiden, wer wen nicht gehen lassen möchte: das Publikum den Sänger oder Chris de Burgh sein Publikum. Knapp zwei Stunden steht der 77-Jährige da schon auf der Bühne und spendiert dem rhythmisch klatschenden Publikum als Zugaben einen seiner größten Hits nach dem anderen: »Don’t Pay The Ferryman«, »Lady In Red«, Stücke von seinem jüngsten Album »The Legend Of Robin Hood«. Gänsehautmomente, als die ansonsten sparsame Lightshow Bühne und Saal in ein kräftiges Rot taucht. Da klopfen die Herzen und die Smartphone-Bildschirme flackern.
Dann legt er noch ein paar Umdrehungen zu: »Das hier ist kein Konzert, das ist eine Party«, ruft er in den Hegelsaal der Stuttgarter Liederhalle. Mit »Pretty Woman« von Roy Orbison schmeichelt er sich noch etwas näher an seine weiblichen Fans heran, die ihn längst vor der ersten Reihe an der Bühne stehend anhimmeln. Rote Rosen und ein überdimensionaler Blumenstrauß fanden schon zuvor den Weg nach oben. Aber auch Männer fortgeschrittenen Alters lächeln selig.
Seit 50 Jahren auf der Bühne
Der Ire ist ein Phänomen. Seit 50 Jahren steht er auf der Bühne, musste sich anfangs mühsam nach oben kämpfen, blieb sich dabei aber treu. Die aktuelle Tournee »50LO« spielt ebenso darauf an wie seine Doppel-CD »50«. Seine Musik enthält als Unterton den sehnsuchtsvollen Klang des irischen Folk, seine Lieder erzählen Geschichten, in denen oft die Wörter Herz, Liebe und Grenze vorkommen. Manches ist hymnisch, anderes schrammt haarscharf am Kitsch vorbei. Mit dieser Kombination wurde er erfolgreich. 4.000 Konzerte in 140 Ländern hat er gespielt, erzählt er in Stuttgart. Er ist mit den Londoner Symphonikern aufgetreten und vor 20 Jahren im sehr kleinen Kreis in Bebenhausen. Seine Platten und CDs wurden rund 50 Millionen Mal verkauft, sie brachten ihm 200 Gold- und Platinauszeichnungen ein.
Die Erklärung für seinen Erfolg liegt wohl in der Person Chris de Burghs selbst. Wie er in Stuttgart auf der Bühne steht, ruhig, aber mit viel Ausdruck in Gesicht und Stimme. Keine Star-Allüren, keine große Bühnenshow, nur er, Klavier und Gitarre. Er startet mit »The Hands Of Man«, dann wechseln sich Hits wie »Hurricane« ab mit unbekannteren Songs. Auch das neue »It’s Never Too Late« ist dabei. Jeder Viervierteltakt animiert das klatschbegeisterte Publikum, das auch gerne mal den Refrain übernimmt. Seine markante Stimme ist noch immer voll, bloß bei der Kopfstimme und den ganz hohen Tönen wird's manchmal etwas schwierig. Aber das sieht ihm das Publikum nach.
Klare Haltung zum Iran
Chris de Burgh erzählt nicht nur in seinen Liedern gerne Geschichten, sondern auch auf der Bühne. Lästert über die Stuttgarter Baustellen (»Wird hier ein unterirdischer Flughafen gebaut?«) und zeigt auch politisch Gesicht. Als er einen Schal in den Farben der Ukraine an seine Brust presst, gibt es stehenden Szenenapplaus. Er erzählt, dass eine Enkelin in Kiew geboren ist und ruft nach Frieden für das geschundene Land, in dem er schon mehrfach auftrat. Chris de Burgh fordert die Gleichberechtigung der Frauen (»Treiben Sie, was sie wollen«), die Trennung von Staat und Kirche und das Ende von Krieg und Gewalt. Im Iran will er erst wieder auftreten, wenn das Land eine neue Regierung hat.
Er strahlt viel Sanftmut und Gelassenheit aus, man kann ihn sich gut am offenen Kamin im Familienschloss in Irland vorstellen. Songs wie »In A Country Churchyard« lassen keinen Zweifel: Der Mann ist ein großer Romantiker und er mag Menschen. »Fotografiert ruhig, es ist euer Abend«, ruft er in die Menge. »Ohne eure Liebe und eure Unterstützung wäre das alles nicht möglich gewesen«, sagt er, als er von seiner Karriere erzählt. Er freut sich riesig, dass seine Musik auch nach einem halben Jahrhundert noch immer so gut ankommt, auch das Konzert in der Liederhalle war so gut wie ausverkauft: »Ihr wart großartig!«, sagt er zum Abschluss. (GEA)

