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Aktuell INTERVIEW

Der Action-Riese macht ernst

Dwayne Johnson in einer ungewohnt tiefschürfenden Rolle in »The Smashing Machine«

LOS ANGELES. Hollywoods größter Actionheld hat scheinbar keine Lust mehr auf Schießereien, schnelle Autos und Explosionen. Dwayne Johnson (53), Star vieler Actionfilme von »Fast & Furious« bis »Jumanji« zeigt sich in einer ungewohnt tiefschürfenden Rolle. In »The Smashing Machine« erlebt man ihn als Mark Kerr, einen Kämpfer in Mixed-Martial-Arts (MMA), der von Schmerz- und Aufputschmitteln abhängig wurde, was ihm fast das Leben gekostet hätte. Eine wahre Geschichte, die Johnson viel bedeutet, schließlich begann er seine Karriere selbst als Wrestler. Wir trafen den gebürtigen Kalifornier zur Deutschland-Premiere von »The Smashing Machine« in Berlin.

GEA: Mal ehrlich, wie war es für Sie, als Mark Kerr diese Perücke zu tragen?

Dwayne Johnson: Sie hat es mir erlaubt, dahinter zu verschwinden. Ich hatte noch nie zuvor die Gelegenheit gehabt, wirklich verschwinden und woanders hingehen zu können. Wir hatten außerdem 22 Prothesen für die körperliche Transformation. Dann die Gewichtszunahme, die Stimme und die emotionale Transformation – das alles war von unschätzbarem Wert. Aber ich musste das ja nicht allein durchstehen.

Wie meinen Sie das?

Johnson: Emily Blunt, die meine Freundin Dawn spielt, teilte sich mit mir den gleichen Make-up-Wohnwagen. Aber sie war auf der einen Seite, ich auf der anderen. Ich arbeitete am Handy und schaute mir das Drehbuch an, und alle 20 oder 30 Minuten, wenn ich wieder aufsah, war etwas anders, weil wieder Prothesen angebracht wurden. Danach habe ich mich sehr lange angestarrt und betrachtete jemand völlig anderen.

Wie war es für Sie, wieder in den Ring steigen und quasi zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren?

Johnson: So habe ich das selbst nie gesehen. Wenn man es aber so betrachtet, hat es auch etwas Ironisches. Ich habe es immer so gesehen, als hätten wir die Gelegenheit, die Geschichte eines Mannes und der großen Liebe seines Lebens zu erzählen. Er war einst der größte Kämpfer der Welt, der als unbesiegbar galt. Aber auch er hat Fehler, vielleicht steckt gerade darin eine Ironie.

Wie groß ist das Risiko nun wirklich, wie Mark Kerr abhängig zu werden?

Johnson: Die Gefahr einer Sucht ist immer gegeben – sowohl in der Welt des MMA als auch in der Welt des Profi-Wrestlings. Deshalb bin ich in den späten Neunzigern auch nie hierher nach Deutschland gekommen, um zu ringen. In beiden Sportarten gab es eine wilde Mischung aus Schmerz-, Aufputsch- und Beruhigungsmitteln mit vielen anderen Drogen. Damals gab es keine Regulierungen, und ich verlor etliche Freunde, die Wrestler waren.

Wie haben Sie selbst es geschafft, nicht süchtig zu werden?

Johnson: Ehrlich gesagt, habe ich einfach versucht, mich aus allem herauszuhalten und mich auf die Dinge zu konzentrieren, die wichtig waren. Ich hatte damals kein Geld, deshalb fing ich mit dem Wrestling an, das ist die Wahrheit. Drogen zu nehmen, hätte Geld gekostet, das ich nicht hatte, und ich wollte auch nicht so werden wie meine Freunde.

Was erlebten Sie mit ihnen?

Johnson: Ich sah, wie sie sich veränderten und wollte ihnen helfen. Als wir mal unterwegs waren und ich mir mit einem meiner Freunde einen Raum teilte, zeigten sich bei ihm Symptome. Ich half ihm auf Flughäfen, ins Flugzeug zu kommen, ihn wach zu halten und ins Fitnessstudio zu gelangen. Doch dann starb er schließlich.

Der echte Mark Kerr war als Berater mit am Set. Wie schwer war es für Sie, im Film auch seine Schwächen und Schattenseiten zu zeigen?

Johnson: Das war echt hart für uns beide. Wenn man einen Menschen spielt, der noch lebt, ist das umso herausfordernder. Der Druck war groß, seine Geschichte richtig und wahrheitsgetreu zu erzählen. Ich lernte Mark sehr gut kennen. Seine Bereitschaft, mir zu vertrauen, war mir sehr wichtig. Ich brachte Sorgfalt mit, er das Vertrauen, sich mir gegenüber zu öffnen.

Sie wollen uns mit dieser Rolle eine andere Seite von sich zeigen. Wie erleichternd ist es für Sie, dass das auch von Kritik und Publikum gesehen wird?

Johnson: Dieser Film hat mein Leben verändert, und zwar in vielerlei Hinsicht. Die Art von Gesprächen, die dieser Film anregt, sind tiefer und bedeutungsvoller. Wir alle haben dadurch wunderbare Erkenntnisse gewonnen. Das erkenne ich gerade, und es ist neu für mich – ich habe darauf gewartet, solche Gespräche auch mit Journalisten zu führen.

Welche Lektion als Schauspieler haben Sie durch »The Smashing Machine« für sich mitgenommen?

Johnson: »Tu so, als würde sich niemand auf dich verlassen.« An diesen Satz unseres Regisseurs Benny Safdie erinnere ich mich nur zu gut. Das war in der Szene, in der ich in der Umkleidekabine zusammenbreche. In diesem Moment hat sich für mich alles verändert. Es ist das erste Mal in Marks Karriere, dass er verliert. Er bricht weinend zusammen. Wir drehten es einmal, danach saßen Benny und ich zwanzig Minuten auf dem Boden und haben einfach alles rausgelassen und fingen an zu weinen. Was ich als Schauspieler mitgenommen habe? Ich begriff endlich, wie es ist, zu leben und nicht zu schauspielern.

Das zeigt sich auch in den Szenen zwischen Emily Blunt und Ihnen …

Johnson: Ja, besonders in den explosiven Szenen. Die sind vulkanisch. Wir brechen einfach aus. Denn Dawn und Mark lieben sich intensiv, und sie streiten sich intensiv. Man lebt einfach in diesen Momenten. Das habe ich daraus mitgenommen.

Aber Ihr Körper ist auch Arbeit. Müssen Sie noch täglich trainieren, um sich Ihre Muskeln zu erhalten?

Johnson: Ich hasse es, aber ich tue es. Aber die Gewichtszunahme war hart. 13,5 Kilo mehr zu tragen, war hart für mich. Aber nebenbei bemerkt, musste ich das auch. Denn zwei Wochen, nachdem »The Smashing Machine« abgedreht war, ging ich direkt ans Set für die Realverfilmung von »Vaiana«. Also musste ich das Gewicht halten. Das war viel Druck und Stress. Persönlich mag ich es natürlich lieber, abzunehmen (lacht). (GEA)

 

»The Smashing Machine«: seit 2. Oktober in den Kinos