REUTLINGEN. Dass man »der Theatermagie beim Entstehen zusehen« kann, das sei bei »Der K… von Inishmaan«, der neuesten Produktion des Reutlinger Theaters Die Tonne, möglich, sagt Dramaturg Michel op den Platz. Und meint damit die Bilder, das Setting, die beim Publikum im Kopf entstehen sollen, angeregt durch Stimmen, Projektionen und ein mit verschiedensten Utensilien live auf der Bühne erzeugtes »akustisches Bühnenbild«. Premiere des Stücks des irischen Dramatikers, Filmregisseurs, Drehbuchautors und Filmproduzenten Martin McDonagh ist am Donnerstag, 11. April, um 20 Uhr im großen Theatersaal (Tonne 1).
Der in London geborene Regisseur Marc von Henning, der das Stück inszeniert, spricht von einer Art Live-Hörspiel und dem Anspruch, das Unmögliche zu machen, nämlich das Theater ein Stück weit aus den Angeln zu heben - oder zumindest hinter die Kulissen blicken zu lassen, die Imagination anzuregen. Und so stehen die Schauspielerinnen und Schauspieler für die neun Szenen in einer Art Tonstudio. »Wir interagieren nicht, wir sprechen nach vorn«, erklärt Schauspieler Santiago Österle.
Irisches Inselleben
Es geht um den 18-jährigen Billy, den alle auf der Insel an der Westküste Irlands, auf der er bei seinen ältlichen Tanten lebt, »Krüppel-Billy« nennen. »Krüppel« ist auch Teil des Stücktitels, nur taucht dieses Wort auf Plakaten abgekürzt als »Der K…« auf, weil, wie Michel op den Platz erklärt, man den Kontext des Stücks braucht, um das Wort richtig einzuordnen. Ein Theater wie die Tonne, das stolz auf sein inklusives Ensemble ist - das auch hier zum Einsatz kommt -, würde das Wort nie zusammenhangslos verwenden. Man habe es, so der Dramaturg, auf der Handlungsebene des Stücks mit dem Versuch einer inklusiven Schauspielkarriere zu tun. Das habe den Stoff für die Tonne interessant gemacht.
»Der K… von Inishmaan« spielt im Jahr 1934. Billy ist die Insel Inishmaan zu klein und zu eng. Er entzieht sich der schrulligen Bevölkerung, sitzt lieber stundenlang auf der Wiese und schaut Kühe an, weshalb ihn die Dorfbewohner für verrückt halten. Als die Nachricht die Runde macht, dass auf der Nachbarinsel ein Film gedreht werden soll, planen Billy, Bartley, mit dem sich Billy noch am ehesten versteht, und dessen brutale Schwester Helen, Billys heimlicher Schwarm, mit dem Boot dorthin überzusetzen.
Musik und das Sounddesign von Michael Schneider
Marc von Henning besetzt das Stück zum ersten Mal in dessen Inszenierungsgeschichte inklusiv. Es spielen und moderieren Santiago Österle, Stefanie Klimkait, Roswitha John, David Liske, Elias Popp, Justine Rockstroh, Daniel Irschik, Chrysi Taoussanis und Kathrin Becker. Für die Musik und das Sounddesign ist Michael Schneider verantwortlich.
Billy wolle weg, erklärt der ihn darstellende Santiago Österle, »weil er eine Veränderung möchte, die Chance, etwas zu erreichen«. Seine Eltern, so heißt es, seien im Meer ertrunken. Marc von Henning deutet an, dass die undurchsichtigen Umstände ihres Todes für Billy ein Stachel im Fleisch sind, geeignet, ihn anzutreiben, aber auch zu zerstören.
Das Stück von Oscar-Preisträger Martin McDonagh (ausgezeichnet 2006 für den Kurzfilm »Six Shooter«) steht bis zum 12. Mai auf dem Tonne-Spielplan. (GEA)